Auf einmal ganz vorne – Weinmarketing via Twitter

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Markus Stolz alias @elenios

Markus Stolz alias @elloinos

Es hört sich ein bißchen an wie ein Weihnachtsmärchen: ein junger mutiger Mann aus Athen wendet sich über Twitter an bekannte Personen in der Weinwelt, um sie für griechischen Wein zu begeistern. Wenige Monate später ist er mit Jancis Robinson und Randall Graham im Gespräch, tritt in einer Radio-Liveshow in Athen auf, ist eingeladen bei Snooth und dem US Magazin Palate Press als Griechenland-Experte zu schreiben und hat in Deutschland Mario Scheuermann und Eckhard Supp davon überzeugt, daß es neue griechische Weine von Weltformat gibt. Für das kommende Jahr sind mehrere große Tastings in Deutschland geplant, von Twitter- und Internet-Kontakten organisiert.

Aber der Reihe nach: Markus Stolz schreibt im Januar 2009 einen Brief an jeweils 50 Importeure und Weinhändler in Deutschland und Großbritannien. Und er erhält sogar ein paar Antworten. Aus Deutschland bedankt man sich für den Kontakt, die Zeit sei aber nicht reif für griechischen Wein und man sehe keine Chancen am Markt, seine Adresse habe man aber für den Fall aller Fälle einmal vorgemerkt. Das Übliche eben. Eine Nachfass-Aktion per email geht genauso aus.

Von der Insel hört Stolz überhaupt nichts.

Er lebt seit 10 Jahren in einem Vorort von Athen, interessiert sich für Wein und lernt im Laufe der Zeit viele Winzer und kleine Familienweingüter kennen, deren Weine entweder direkt ab Hof oder über kleine Weinläden in der Stadt abgesetzt werden. Stolz ist von den neuen Qualitäten überzeugt, die da heranwachsen. Er interessiert einige Winzer für ein Export-Projekt und legt los. Nach den Erfahrungen mit dem Brief scheint die Sache aber erst mal ins Stocken geraten zu sein.

Was tun? Stolz überlegt sich, nach Deutschland oder nach England zu fahren. In UK kennt er die Szene gut, denn er hat als Banker eine Zeit in London gearbeitet. Stattdessen guckt er in Athen erst einmal ins Internet und beobachtet die Online-Weinszene in den beiden Ländern. Ende 2008 hat sich in Deutschland eine ganz aktive Wein-Community gebildet, die gerade Twitter entdeckt und munter drauflos zwitschert. Stolz schaut eine Weile zu und identifiziert die „Influencer“, früher hätte man gesagt „Meinungs-Führer“. Er fragt sich, wie er mit diesen Leuten in Kontakt kommen kann.

Als Mario Scheuermann im März 2009 im Drink Tank schreibt, „die viel gepriesene neue Weinszene Griechenlands und ihre Qualitätsoffensive sind trotz aller Bemühungen in Deutschland noch nicht angekommen“, setzt Stolz sich mit ihm über email in Verbindung, und bietet an, den Gegenbeweis anzutreten. „Scheuermann riet mir, einen eigenen Twitter-Account anzulegen und wurde mein erster Follower“ erzählt Stolz. So wird aus Markus Stolz @elloinos.

Im Juni organisiert Stolz eine erste Probe mit griechischen Weinen in Hamburg. Dabei sind  Scheuermann, Supp und der griechischen Apotheker und Weinmacher Christos Kokkalis (Trilogia), der in Deutschland lebt . Über Twitter dm kontaktiert Stolz dann Dirk Würtz, der nicht zu der Probe in Hamburg sein kann und lädt ihn ein, ein Video in Griechenland zu drehen. Würtz ist aber schon in den USA verabredet und lädt seinerseits Stolz ein, nach Rheinhessen zu kommen und organisiert eine Probe für Freunde. Außerdem schreibt Stolz Gast-Kommentare auf Würtz-Wein. Über seine neuen „Freunde“, sowie zahlreiche Kontakte und Kommentare wird Stolz in der Online-Weinszene bekannt und ist in Foren, wie zum Beispiel bei talk-about-wine als Griechen-Experte geschätzt.

Letzter Höhepunkt ist dann die große Probe mit 50 Weinen in Hamburg im November, die zeigte, daß Stolz mit seinen Griechen auf dem richtigen Weg ist.

Letzte Woche fragte ich Stolz, worauf es denn bei der Anbahnung von Geschäftskontakten übers Internet ankommt. „Das Wichtigste ist, den Kontakt ins wirkliche Leben hinüberzuziehen und das ist dann immer noch email, Telefon und face-to-face. Da muß man sich dann in den Flieger setzen und vor Ort mit den Leuten reden und probieren.“

Aber auch vorher ist das richtige Arbeit: Stolz berichtet, daß er sich tagsüber in Athen ein paar mal am Tag für einige Minuten hinlegt, um fit zu sein für die Nacht. „Ich sitze jede Nacht zwischen 12 und 2 am Rechner um live über Twitter in den USA mitzudiskutieren. Man muß wirklich live dabeisein, damit die Leute sehen, da steht nicht nur eine Verkaufs-Maschine dahinter.“

Neben Twitter ist Stolz mit seinem Blog online. Das Blog hat sich aus einer statischen Website entwickelt, die Stolz anfangs betrieb. Im April versuchte er es mit Blogger und einem Posting alle 8 – 10 Tage. „Das war zu wenig und die Blogger- Technik bringt es auch nicht“. Im Juli setzte er dann sein eigenes WordPress Blog auf und ist damit sehr zufrieden. Er postet 2 mal die Woche. „Es reicht aber nicht aus, einfach nur ein Blog in die Landschaft zu stellen, man muß es aktiv über Kommentare auf fremden Seiten, Twitter, Posterous und andere Kanäle vermarkten.“

Für Englisch als Blogsprache hat Stolz sich entschieden, weil die Reichweite größer ist. „Die deutsche Weinszene und der Handel können Englisch, aber die Amerikaner und Engländer verstehen kein Deutsch. Und auch in Griechenland ist Englisch so etwas wie die zweite Amtssprache.“

Was ist das Besondere an Twitter? Stolz: „Die Leute sind offen, selbst die „Groß-Kopfeten“ und „Gurus“. Es hat den Anschein, daß auch die meisten dieser Leute ihren Twitter-Account selber führen. Man ist dann sofort in Kontakt. Außerdem kommen Leute auf einen zu, wenn man erst einmal eine gewisse Bekanntheit erlangt hat. Und diese Leute sind dann echt interessiert. Meine Veranstaltungen in Hamburg, Frankfurt und München im kommenden Jahr sind alle so zustande gekommen.“

Mit Twitter und dem Internet kann das alte Kontakt-Prinzip umgekehrt werden: so wie Stolz mit seiner ersten Briefaktion, wird traditionell versucht,  Leute aus einer Zielgruppe für sein Anliegen zu gewinnen und zu überzeugen. Am Ende bleibt wenig oder eventuell gar nichts, weil man die richtigen Leute nicht in der Auswahl hatte oder sie im falschen Moment erwischte.

Über Twitter und das Internet beobachtet man die Szene und wendet sich dann an Leute, die bereits Interesse gezeigt haben. Im Idealfall wird man selbst von Leuten angesprochen. Und das sind dann die, die wirklich interessiert sind und die etwas bewegen wollen. Viele Marketing-Leute sind der Ansicht, Twitter eigne sich fürs B2B nicht, sei eher ein Fun-Kanal vorwiegend für junge Leute. Die Geschichte von Markus Stolz beweist das Gegenteil.

3 Kommentare

  1. Pingback: Tweets die Auf einmal ganz vorne – Weinmarketing via Twitter erwähnt -- Topsy.com

  2. Hallo,

    erst einmal vielen dank für die Erwähnung meines Artikels. Jedoch habe ich in meinem Artikel nicht geschreiben, dass Twitter sich nicht als B2B-Kanal eignet und schon gar nicht das es nur ein Fun-Kanal für junge Leute ist. Hier bitte richtig lesen, korrekt wiedergeben und evtl. auch in andere meiner Social Media Artikel reinschnuppern :-)

    Ausnahmen wie in Ihrem Fall gibt es sicherlich immer, sie sind jedoch definitiv nicht die Regel, sondern Ausnahmen. Es freut mich auf jedenfall für Sie, dass Sie über Twitter erfolgreich Kontakte knüpfen konnten!

    Viele Grüße
    Francis Collis

  3. Pingback: Blogger bei der Prowein 2010