Clos Vougeot 1928

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„Ein Clos Vougeot von 1928 in einer Bordeaux-Flasche – hier steht sogar Comte De Vogue – ein sehr guter Jahrgang, aber erwarten Sie jetzt nicht zu viel – das ist eine Schweizer Händlerabfüllung“ sagt Joe Frei bei einer improvisierten Raritäten- Probe im Kollegen-Kreis nach der offiziellen EXPOVINA Verkostung.

Joe Frei Steinfels Weinauktionen Zürich

Joe Frei Steinfels Weinauktionen Zürich foto:mpleitgen

Frei ist Schätzer und Auktionator bei Steinfels Weinauktionen in Zürich, seit über 20 Jahren im Geschäft und in der Branche bekannt, wie der sprichwörtliche bunte Hund. Das Etikett ist kaum noch zu entziffern – der Wein ist trinkbar, aber weit entfernt davon ein großer Wein zu sein. Gute Flaschen dieses Jahrgang werden zwischen 300 und 450 Euro gehandelt. Frei führt bei der Probe vor, was einen alles erwarten kann, wenn man einen Keller besichtigt, der aufgelöst werden soll.

Kellerauflösungen sind eine Möglichkeit, wie Weine ihren Weg in eine Auktion finden. „Aber das Geschäft ist mühselig. Die wenigsten Leute wissen, was sie tatsächlich im Keller haben – und auch über den Wert sind sie sich völlig im Unklaren. Da hat jemand ein Haus geerbt samt Keller – der Onkel hat immer guten Wein getrunken, heisst es – und dann finden sich Markenweine, überlagerte Weissweine aus dem Supermarkt. Weine, die keinen Marktwert haben. Andererseits: wenn eine 86-jährige Unternehmer-Witwe ihren Keller räumen möchte, gibt es die Chance auf hundertjährige Weine“.

Es gibt noch 100jährige Weine in der Schweiz

Bevor er selbst hinfährt, bittet Frei deshalb die Anbieter zunächst einmal, alle Weine aufzulisten, die sie im Keller haben. Eine erste Schätzung am Schreibtisch ergibt einen Anhaltspunkt, was der Kunde erwarten kann. Große Weine werden vor Ort besichtigt – da geht es dann um den aktuellen Zustand, wie der Wein gelagert wurde und wo er herkam.

Er sei sicher, dass es in der Schweiz immer noch eine große Zahl solcher „ungehobenen Schätze“ gebe, meint Frei. Die Schweizer hätten schon immer Weinverstand gehabt und seien einmal der größte Importeur für Bordeaux-Weine gewesen – noch vor den Belgiern. Außerdem gebe es viele Herrschaftshäuser aus der Gründerzeit mit Naturkellern – in der Regel mit guten Bedingungen für eine optimale Lagerung.

Bei der Probe zeigt er Weine aus einem „Schneckenkeller“ in einem Ferienhaus. Schnecken haben die Etiketten sauber abgefressen. Auf den Flaschen sind nur mehr die Leim-Streifen zu sehen.

Andere Auktionsweine kommen von Händlern, die Restposten oder Überhänge verkaufen wollen oder von Weinsammlern, die Platzprobleme haben und sich von Flaschen trennen müssen. Jetzt kommen auch Weine auf den Markt, die in den neunziger Jahren als Kapitalanlage gehortet wurden.

Alle Weine werden vor der Auktion geschätzt. Im Katalog finden sich zwei Preise: der Preis, der erfahrungsgemäß in der Auktion erzielt werden kann, dürfte etwa in der Mitte liegen. Interessant: bekannte Weine erzielen international in etwa überall die gleichen Preise, meint Frei, Ausreißer nach oben oder unten gebe es natürlich immer.

Wer kauft bei Auktionen?

Wer kauft bei Auktionen? Neben Sammlern und Wein-Freaks auch Gastronomen auf der Suche nach Preziosen für ihre Karte,  Händler, die für Kunden bestimmte Weine oder Jahrgänge suchen und Leute, die ältere Weine mögen. Im Laufe der Jahre findet sich ein richtiges Stammpublikum zusammen – zum großen Teil kennt man sich untereinander. Geboten wird auch übers Telefon – das Internet spielt bei Steinfels Weinauktionen noch keine große Rolle.

Hat Frei einen Tipp für Neugierige und Interessenten? Einfach mal hingehen, zuschauen, zuhören, in die Atmosphäre einer Versteigerung eintauchen. Einmal mit einem „gemischten Los“ anfangen – da finden sich die unterschiedlichsten Weine zum kleinen Preis und man kann einmal testen, ob man mit alten Weinen überhaupt etwas anfangen kann. Auktionen sind nichts für jemanden, der schnell den Keller seines neuen Hauses füllen möchte – Auktionen brauchen Zeit. Man muss sich vorbereiten – die Ergebnisse vergangener Veranstaltungen studieren, Schätzungen und tatsächlich erzielte Preise vergleichen, um ein Gespür zu bekommen.

Steinfels ist das älteste Schweizer Auktionshaus und gehört zu Bataillard Gruppe, dem viertgrößten Schweizer Weinhändler. Es werden im Jahr vier Auktionen mit jeweils etwa 1.800 Losen veranstaltet. Frei braucht mit seiner Mannschaft rund drei Monate um eine Auktion vorzubereiten.

Neben den Auktionen betreibt Steinfels im Zürcher Szeneviertel an der Pfingstweidstrasse gegenüber vom Schiffbau auch ein Weingeschäft mit einem internationalen Sortiment. Ein Besuch lohnt sich. Neben dran kann man sich anschließend im kultigen Les Halles eine Portion „moules frites“ gönnen.