Der Barman weiss Bescheid…

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Obstbrand Master Class beim European Cocktail Museum am Montagmorgen in Kreuzberg. Dozent Arthur Nägele von der Spirituosenakademie war von Zürich hereingeflogen. Er ist Brenner, leitet die Spirituosen-Kurse des Wine and Spirit Education Trust (WSET) in der Schweiz und ist einer von 25 Chair Judges bei der International Wine & Spirits Competition IWSC London.

Bastian Heuser, Mixology - Arthur Nägele, Spirituosenakademie

Bastian Heuser, Mixology - Arthur Nägele, Spirituosenakademie

12 Bar-Männer und eine Bar-Frau erwarteten ihn im Seminar-Raum von Mixology, der von einer imposant-bestückten klassischen Bar dominiert wird. Nägele führte zunächst durch die Geschichte der Alkohol-Kultur, erläuterte die Unterschiede von Edelbrand, Spirituose und Geist und war da auch schon bei den Feinheiten des Bezeichnungsrechts angelangt. Nicht alles was sich edel auf dem Etikett liest, ist es auch tatsächlich. Bei Obstbränden komme es in erster Linie auf die Qualität des Rohmaterials an: so sei eine Williamsbirne aus Süd-Frankreich etwas vollkommen anderes als eine Süd-Tiroler Birne, die langsamer reife und in der letzten Reife-Phase durch die kühlen Nächte sehr viel mehr Aroma behalte. Der Brenner kann immer nur das aus der Frucht herausholen, was bereits in ihr steckt. Deshalb ist es immer interessant zu wissen, woher der Brenner sein Ausgangsmaterial bezieht. Gute Destillen haben zum Teil europaweit ihre Vertragsbauern, mit denen sie zusammenarbeiteten.

Verkostung

Verkostung

Obstbrände sind immer teurer als Getreidebrände wie Korn oder Wisky: das Obst ist teurer und während man bei Getreide bis zu 30% Ausbeute erzielt, bei Wein immerhin 7%, sind es bei Obst nur 5% (Kirsche, Zwetschgen) bis 2% (Beeren, Quitten). Ob die teilweise exorbitanten Preisunterschiede zwischen den einzelnen Produkten geschmacklich gerechtfertigt sind, überließ Nägele der Verkostung. Auf jeden Fall werde bei den Premium-Anbietern aufwendiger gearbeitet: ausgewählte Obst-Lieferanten, geringere Ausbeute, aufwendiges, handwerkliches  Brennen, qualifiziertes, erfahrenenes Personal sind die Regel.

Nach der Einführung warteten 18 Brände auf die Teilnehmer. Bei der Probe wurde mit dem Schema und den Verkostungsblättern von Wine and Spirit Education Trust gearbeitet. Es wird systematisch nach Aussehen, Geruch und Geschmack bewertet. Bei allen Kriterien wird gefragt: was wird wahrgenommen und wie ausgeprägt ist es. Auch Spirituosen können Fehler haben, die zum Beispiel von der Vergärung des Obstes, vom Brennen oder unsachgemäßer Lagerung her stammen. Als Beispiel wurde ein fast faulig riechendes, oxidiertes Kirschwasser vorgestellt. Auch die Schärfe mancher Spirituosen kann auf Verarbeitungsfehler zurückgeführt werden.

an der Mixology-Bar

an der Mixology-Bar

Brenner bevorzugen häufig andere Spirituosen-Stile als das Publikum: so steht bei Fachleuten ein fruchtig, frischer Williams hoch im Kurs, während der Verbraucher eher einen breiten, süßlichen, manchmal schaligen Stil mag. Aber wie immer: über Geschmack läßt sich streiten. Jeder hat andere Vorlieben und in diesem Sinne sind auch nicht für jeden die teuersten Brände von Valendar, Ziegler und Co immer die Besten. In der Blind-Verkostung gab es dann auch einige Überraschungen. Brände von Roner aus Süd-Tirol, Dettling oder Dirker fanden Zustimmung. Ein Highlight war der DolleSeppler Kirsch-Brand von Ruedi Käser aus der Schweiz: sehr sauber, feine Kirschfrucht, leicht, mild, anhaltend und harmonisch. Käser ist einer der wenigen, der diese besondere Kirschen-Art brennt.

Am Nachmittag versammelte man sich an der Bar. Bastian Heuser von Mixology führte alte und neue Cocktails mit Obstbränden vor. Die Brände bringen interssante Fruchtnoten in den Mix: so ein Cherry Mai Tai in einem Tiki Mug serviert mit Kirschwasser im Rumfaß ausgebaut. Bei den August-Temperaturen erfrischend waren ein Williams Swizzle mit Williams, Limette und Angostura oder ein Take a Bite of My Peach mit Aprikosenbrand, Zitronensaft, Holunderblütensirup und einem halben Weinbergspfirsich.

Im kommenden Februar/März ist geplant, in Berlin mit Arthur Nägele in Zusammenarbeit mit Mixology das Professional Certificate in Spirits von WSET anzubieten. Es deckt in 2 Tagen Brandy, Gin, Rum, Tequila, Vodka, Whiskies und Liköre ab und eignet sich für Hersteller, Händler und eben auch Bar-Leute. Denn der Barman sollte Bescheid wissen!

Schon vormerken: Für Bar-Profis findet am 5. und 6. Oktober der Bar Convent Berlin statt!

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