Digital-Kultur ist Beteiligungskultur

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„Digitalkultur ist Beteiligungskultur“ sagte Ranga Yogeshwar gestern beim 5. Dresdner Zukunftsforum – dieser Satz hätte als Titel über dem ganzen Tag stehen können. Dem Veranstalter, der T-Systems Multimedia Solution, war es gelungen, zwei der profiliertesten Netz-Denker als Speaker nach Dresden zu holen.

Jeremy Rifkin lehrt an der Wharton School und berät Regierungen und Institutionen zu Wirtschaft, Klimawandel und Energiesicherheit. Er gehört zu den regelmäßigen Gesprächspartnern von Angela Merkel.

Jeremy Rifkin in Dresden

Jeremy Rifkin in Dresden foto:mpleitgen

In der Netzgemeinde noch bekannter ist der Philosoph David Weinberger, der zu den Autoren des Cluetrain Manifestes gehört und der heute eine radikale Umstellung der Marketingstrategien in den Unternehmen fodert.

Die dritte industrielle Revolution

Am Vormittag stellte Rifkin Thesen aus seinem neuen Buch „Die dritte industrielle Revolution vor“. Für ihn leben wir bereits am Ende des Öl-Zeitalters – der Förderpeak ist überschritten, das Wachstum in den Schwellenländer verlangt nach mehr Energie, sprich mehr Öl. Das beschleunigt den globalen Niedergang.

Die Wirtschaftskrisen der 00er Jahre führt er auf die knappe Ressource Öl zurück. Der steigende Ölpreis lähmt die Wirtschaft – die Bankenkrise, an der die Regierungen heute noch laborieren ist für ihn nur die Folge der Wirtschaftskrise. Wir können uns bereits jetzt wieder auf die nächste Krise gefasst machen – sie folgen einem Zyklus, der fünf Jahre dauert.

Zusätzlich sieht er eine Klimakatastrophe am Horizont, die verheerende Folgen für unser Ökosystem hat: der Verbrauch fossiler Energie lässt die globale Temperatur steigen.

Europa ist auf dem richtigen Weg – wenn…

Gibt es eine Chance, diese Herausforderungen zu meistern? Seiner Meinung nach ist die EU auf dem richtigen Weg – wenn sie ihn den konsequent einhält. Anders als die USA werde in Europa in vernetzte Strukturen investiert.

Man habe erkannt, dass die Häuser der Hauptenergieverbraucher seien, gefolgt vom Transportwesen. Hier werde angesetzt: nicht nur Niedrig-Energie Bauen sei angesagt, sondern man müsse die Energie, die man quasi im Hinterhof in Formen von Sonnen- und Windenergie und Erdwärme finde, nutzbar machen. Jeder könne so zum Energieerzeuger werden. Das sei in mehrfacher Hinsicht „Power to the people“.

Verteilte Energie gehöre die Zukunft – zentrale Systeme stammen aus der Vergangenheit. Eine neue dezentrale Infrastruktur und eine intelligente Steuerung seien nötig, denn diese neue Energie sei die teuerste, die die Menschheit je genutzt hat. Da dürfe nichts verschwendet werden.

Das Problem der Speicherung müsse aktiv angegangen werden. Eine Lösung sieht er in einer Wasserstoff-Wirtschaft. Firmen wie Daimler-Benz, Bosch und Siemens hätten sich bereits auf die neuen Paradigmen eingestellt: Brennstoffzelle und Hybrid-Motor werden weiterentwickelt, es wird in Netze und deren Management investiert. Hier entstehe auch neuer Mehrwert.

Merkel fragt nach Wachstum

Angela Merkel habe ihn nach Wachstum gefragt – für ihn sei das angesichts der permanenten zyklischen Krise und der heraufziehenden Öko-Katastrophe ein Fetisch, von dem man sich  ganz schnell verabschieden müsse.

Europa ist um die Energie herum entstanden: am Anfang standen Montan-Union und Euratom-Behörde. Auch jetzt gehe es wieder um Energie – um die neue Energie, weg vom Öl.

Das Denken in vernetzten Strukturen sei nicht nur für die Energie-Wende wichtig. Es wird in Zukunft unsere Arbeitswelt und Kultur bestimmen: aus nationalen Märkten werden kontinentale Märkte – Knoten suchen Verbindung. Sie verbinden sich mit dem nächsten Knoten.

Occupy und die Piraten stehen für die Digital Natives

Die Jugend habe bereits verstanden: sie wachse mit mehr Problembewusstsein auf und praktiziere das neue vernetzte Denken schon. Die ökologische Bewegung, die Grünen oder auch jetzt die Piraten sind für ihn ein deutliches Zeichen.

Die Urheberrechtsdebatte zeige, dass man bereits dabei ist, sich von Regelungen zu trennen, die früher Sinn machten und heute nicht mehr der Realität entsprechen. Folge man den Diskussionen im Internet, dann werde klar, dass sich die politischen Fragen der Zukunft nicht mehr um den Besitz an Produktionsmitteln drehen. Die dritte industrielle Revolution ist in Wirklichkeit der Sprung vom industriellen ins vernetzte, kollaborative Zeitalter.

Einen Blick in Rifkins Buch „Die dritte industrielle Revolution“ (deutsch) können Sie hier tun. Hier geht es zur Originalversion (english).

Im zweiten Teil geht es nächste Woche um David Weinbergers Thesen zur demokratischen Wissensgesellschaft und die Rolle des Internets. Weinberger nahm auch zu den Echo-Räumen und der Filter Bubble Stellung.

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