Europas Winzer sollen wieder für den Markt produzieren

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Wenn Lars Hoelgaard lacht, dann ist das eher leise und auch immer so ein bißchen nach innen. Bei unserem Gespräch ist er sehr konzentriert, hört genau zu. Manchmal sagt er: „Ich muß jetzt aufpassen, was ich sage“ und wird dann ganz ernst. Trotzdem paßt der sympatische, oft etwas nachdenkliche Däne mit dem Dreitage-Bart nicht zu dem Bild, das seine Gegner gerne von ihm zeichnen: der bauern- und winzerfressende neoliberale EU-Direktor aus Brüssel, oberster Wein- und Agrar-Beamter Europas. „Unser Ziel in Brüssel sollte es eigentlich sein, daß wir uns überflüssig machen. Der Markt soll sich selbst regulieren, wo es geht“ sagt er. Ein knallhartes, neoliberales Bekenntnis ist ihm trotzdem nicht zu entlocken. Eher :“Brüssel sollte so eine Art Feuerwehr, Rückversicherung in Krisenzeiten sein. Im Moment sehen wir, wofür so etwas gut ist.“

Lars Hoelgard im Hafenclub

Lars Hoelgaard im Hafenclub

Als aktuelles Beispiel nennt er die jüngsten Interventionen bei Milch und Butter. Die Marktreform hatte den Milchsee weitgehend ausgetrocknet. Die Krise zwingt zum Handeln. „Das muss auch weiter möglich sein. Auch beim Wein. Aber nicht in jedem Jahr automatisch hunderte Millionen für die Destillation, weil zum Beispiel in Castillia-La Mancha Wein produziert wird, der keinen Markt hat.“ Da wird er dann sehr bestimmt:“Wir dürfen nicht öffentliche Gelder dafür ausgeben, damit etwas vernichtet oder exportiert wird, das niemand haben will. Europas Winzer sollen wieder für den Markt produzieren und nicht für Destillation. Mit der Exporterstattung haben wir bisher geholfen, wirklich schlechten Wein in Drittländer zu exportieren. So etwas vermittelt keinerlei Qualitätsanreize. Und zudem finanzieren wir damit unser eigenes schlechtes Image in der Welt.“

Werden bei der Weinmarktreform Winzer auf der Strecke bleiben? So wie Bauern in der Milchwirtschaft? „Nicht unbedingt. Jeder weiss, daß Betriebe mit 3 -4 Hektar eigentlich nicht rentabel sein können. In Deutschland beträgt der durchschnittliche Besitz 3,5 Hektar. Und diese Leute sind noch da. Die werden auch bleiben.“ Vorausetzung dafür sind für Hoelgard zukunftsfähige Strukturen im Hintergrund. Genossenschaften, große Kellereien. Geld für die Modernisierung und bessere Vermarktung sei da: das könne man aus dem Interventionstopf nehmen. Diese Umschichtung sei gewollt. Als positives Beispiel für einen Turnaround führt er Österreich an: nach den Skandaljahren habe die Weinwirtschaft dort von vorne anfangen müssen. Heute sieht er die Österreicher in Ausbildung, Wissen, Produktion und Vermarktung ganz vorne.

Hoelgard, im Vordergrund Dirk Würtz und Emily Albers

Hoelgaard, im Vordergrund Dirk Würtz und Emily Albers

Die französischen und deutschen Verbände und die Politik sind nach Hoelgaard sehr konservativ, wenn es um Wein geht. Er sieht das historisch begründet: eine Folge des landwirtschaftlichen Autarkie-Denkens des 19. Jahrhunderts. Das Mißtrauen gegenüber dem Markt sei tief verwurzelt. Deshalb seien in der Branche auch die größten Traditionalisten zu finden. Den Verbrauchern sei die Tradition egal. Die wollten guten und preiswerten Wein trinken. Viele Winzer seien auch bereit sich darauf einzustellen. Schon längst werde an der Basis viel offener diskutiert, als bei den Verbandsvertretern. (An dieser Stelle bekam er spontane Zustimmung von Öko-Winzer Dirk Würtz.) Letztendlich gehe es darum, mit der Weinmarktreform die Branche von den Fesseln der Tradition zu befreien. Allerdings: wenn man gleiche Chancen fordere, wie die Mitbewerber aus Übersee, dann müsse man auch zulassen, dass das Holz in den Wein darf und nicht nur der Wein ins Holz.

In diesem Sinne sei man auch das Bezeichnungsrecht angegangen. Durch die Abschaffung der starren Tafelwein / Qualtätswein Kategorien habe man es leichter gemacht, marktgängige Weine mit ansprechenden Bezeichnungen herzustellen. Ein Cuvee aus mehreren Anbaugebieten könne „Deutscher Riesling 2007“ heißen und sei nicht mehr zum Tafelwein verdammt. Daneben können bisherige Qualitätsweine weiter bestehen. Sie fallen dann unter „Weine mit geschützter Ursprungsbezeichnung“ oder „Wein mit geschützter geografischer Angabe“ und sind genauso geschützt wie vorher. Vorausetzung ist, daß die betreffenden Länder dies bei der EU beantragen und begründen. Genauso können Einzelwinzer oder Zusammenschlüsse die Eintragung neuer Begriffe und Verfahren beantragen. In diesem Sinne könnte die neue Gesetzgebung auch neue Möglichkeiten für Bezeichnungen wie „Großes Gewächs“, „Erste Lage“ oder ähnliches schaffen. Während die Weinbauverbände und der Genossenschaftsverband sich noch gegen die neuen Regelungen wendet, möchten die Kellereien und die Mitglieder des IHK Weinausschusses sie so schnell als möglich nutzen. Heißt es in einer Veröffentlichung der IHK Trier, die in Weinfragen für die IHKs spricht. Besonders attraktiv scheint vor allem für den Export die Bezeichnung „protected destination of origin“. Sie könne dazu beitragen, deutsche Weinetiketten international verständlicher zu machen.

Lars Hoelgard

Lars Hoelgaard zum Thema "Geld zurück"

Subsidiarität ist nach Hoelgaard ein Wort, dass niemand verstehe. In der Politik wird viel davon geredet. „Geld zurück“ verstehe jeder und sofort. Sukzessive soll das Geld, was bisher in den Interventionstopf geflossen ist, an die Länder zurückgehen. Die Verteilung richte sich nach der bisherigen Inanspruchenahme der Intervention. Deshalb bekomme Deutschland in 2009 lediglich 22 Mio zurück, Italien 250 Mio. Hier gehe es mehr um die „Bedürftigkeit“. Mit dem Geld werde auch die Verantwortung in die Länder zurückkehren, denn die müßten jetzt über die Verteilung befinden. „Und da setzt dann auf einmal die Vernunft ein. Die Leute vor Ort sind die letzten, die Geld für unnütze Maßnahmen oder für Vernichtung von Wein ausgeben wollen. Das meiste dürfte dann in Infrastrukturmaßnahmen oder Absatzförderung gehen. So etwas wie Weintourismus wird davon profitieren.“

Was ist mit den beiden heißdiskutierten Themen Rodungsprämie und Pflanzrechte? „Flächen die unrentabel in der Bewirtschaftung sind, werden früher oder später sowieso aus der Produktion genommen. Die Besitzer warten nur auf den richtigen Zeitpunkt. Auch ohne Rodungsprämie hätte sich das über den Markt reguliert. Jetzt geht es eben etwas schneller. Für die Liberalisierung der Pflanzrechte gilt das gleiche: Warum sollen wir weiterhin Beschränkungen auferlegen, wo es Sinn macht zu pflanzen, weil Potential für guten Wein da ist, der auch vermarktet werden kann?“ Auch bei den oenologischen Verfahren sieht Hoelgaard Restriktionen als hinderlich: zukünftig wird alles was von der OIV (Internationale Organisation für Rebe und Wein) als gute oenologische Praxis definiert ist, auch in der EU möglich sein. Und er sieht auch keinen Grund, nach solchen Verfahren produzierten Weinen aus Drittländern die Einfuhr in die EU zu verwehren. „Wir werden zukünftig Dritten nicht mehr vorschreiben, wie sie zu arbeiten haben. Dafür ist gewährleistet, daß auch wir ungehindert exportieren dürfen.“

Mario Scheuermann im Gespräch mit Lars Hoelgaard

In der Agrarpolitik gebe es eigentlich nur zwei Gründe um öffentliche Gelder auszugeben, sagt Hoelgaard. Erstens: wo es um Einkommenssicherung für Landwirte geht. Die seien anders als Kaufleute oder Schuhmacher von Klima und Wetter abhängig. Wenn wir weiter Landwirtschaft haben wollen, müssen wir für Ausgleich sorgen. Zweitens: wo wir die Landwirte als Landschaftspfleger und Naturverwalter arbeiten lassen. Da wird etwas für die Allgemeinheit getan, was auf normalem Wege nicht entlohnt wird.

Wie wird nach Hoelgaards Ansicht die Zukunft aussehen? Woher werden die Impulse für den Weinmarkt in 10 Jahren kommen? „Ich hoffe, daß die Impulse aus Europa kommen. Dazu muss es aber einen neuen Aufbruch und eine Modernisierung der Branche geben. Die Weinmarktreform eröffnet dazu die Möglichkeit. Wenn diese Chance nicht wahrgenommen wird, werden die Überseeländer bestimmen, was bei uns in den Regalen steht.“

Das Gespräch mit Lars Hoelgard fand am 10. März im Rahmen des 2. Weinblogger-Roundtable im Hafenclub Hamburg statt. Teilnehmer an der teils recht kontrovers geführten Diskussion waren: Emely Albers, Michael Pleitgen, Mario Scheuermann, Eckhart Supp, Dirk Würtz

Lesen Sie auch den Bericht vom 1. Weinblogger Roundtable mit Arend Heijbroek, Chefanalyst der Rabobank

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8 Kommentare

  1. Sehr spannend das Ganze, da wär‘ ich gerne dabeigeweisen. Das ist eine knallharte, marktwirtschaftliche Betrachtung. Wenn wir das alles nicht bräuchten, wäre auch ein Lars Hoelgard sehr rasch überflüssig, alles regelt sich von alleine. So einfach ist’s mitnichten.

    Und nochmal zum Thema Rodungsprämie: allein 10.000 € je ha veranlassen viele, manchmal ältere Winzer, auch gute Lagen aufzugeben, anstelle diese zu verpachten. Es gibt auch gerodete Weingärten außerhalb von La Mancha, mit teils uraltem Rebbestand aus interessanten Lagen. Hier hat der Eingriff der EU das Gegenteil bezweckt, nämlich den Zwang zur Qualitätsorientierung verpasst.

  2. „Jeder weiss, daß Betriebe mit 3 -4 Hektar eigentlich nicht rentabel sein können.“
    Eigentlich müßte man Lars Hoelgard sagen:
    Das Miniland Dänemark ist mit 5.5 Mill. Einwohner auch nicht wettberwerbsfähig gegen z.B. Indien oder China.
    So lange wir immer in quantitativen Größen denken……
    Gab es bzw. gibt es da nicht aktuell eine kleine große Wirtschaftskrise…
    Wo der Größenwahn hinführt sehen wir doch jetzt exemplarisch.

  3. Sehr einseitig und durchsichtig die Intention des Lars Hoelgaard:

    Massenweise Billigweine für den Verbraucher und keine Spur von Premiumqualität – das nützt dem Kellereihandel und den Discountern.
    Unter dem Deckmantel der Einkommenssicherung für Landwirte und Winzer als Naturverwalter sollen öffentliche Gelder etwas für die Allgemeinheit tun ??
    Zwei gute Gründe die EU Beamten für überflüssig zu erklären. Der oberste Agrarbeamte ist bereits an seinem genannten Ziel.
    Wer Gelder aus dem Interventionstopf an Genossenschaften und Großkellereien verteilt, sollte den Winzern kein Mißtrauen gegenüber dem Markt vorwerfen !
    Wenn Weine mit geschützter Herkunftsbezeichnung genauso geschützt sind wie vorher, warum dann eine Änderung des Bezeichnungsrechtes?

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