Irland: Weinsteuer verschlechtert Wein-Qualität

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Mike Finegan ist Director des Wine Board of Ireland in Dublin. Das Wineboard ist eine Einrichtung der Wein- und Spirituosen Industrie in Irland und für die Wein-Ausbildung und Personalschulung zuständig. Ich wollte von ihm wissen, wie sich die drastische Erhöhung der Weinsteuer in Irland um 25 % im Oktober des letzten Jahres ausgewirkt hat.
Mike Finegan: Wir haben jetzt die höchste Weinsteuer in der EU. Wenn über europaweite Harmonisierung gesprochen wird, solllten bei uns eigentlich die Steuern sinken. (lacht)

Mike Finegan vom Wineboard of Ireland

Mike Finegan vom Wineboard of Ireland

Aktuell gibt es noch keine Zahlen über die Auswirkungen der Steuererhöhung. Um definitiv etwas sagen zu können, brauchen wir den Jahresvergleich. Im Oktober gab es ein Riesen-Plus bei den Einfuhren, dafür ein genauso großes Minus im November/Dezember. Vieles wurde vorgezogen.

Weinakademie: Was war der Grund für die Erhöhung?

Mike Finegan: Gerade in Zeiten der Krise braucht der Staat mehr Geld. Die Steuererhöhung soll geschätzte 31 Mio Euro mehr bringen. Den Wein hat es diesmal härter getroffen als Bier und Spirituosen, weil der gestiegene Weinverbrauch nach Ansicht der Anti-Alkohol-Fraktion auch ein Zeichen der Verlagerung des Alkohol-Mißbrauchs von den harten Getränken und Bier in Richtung Wein sei. Das ist natürlich Unsinn, denn alle Untersuchungen sagen: mit steigendem gesellschaftlichem Wohlstand wollen immer mehr Leute besser trinken und essen. Deshalb wird mehr Wein konsumiert.

Weinakademie: In Deutschland wird gerade über Steuererhöhungen und die Einführung einer Weinsteuer zur Alkoholprävention diskutiert.

Mike Finegan: Wein hat mit Alkoholmißbrauch und vor allem mit Alkoholmißbrauch bei Jugendlichen nichts zu tun. „Binge-Drinking“ ist ein kulturelles Phänomen, dem nicht mit Steuererhöhungen oder Verboten beizukommen ist. Hier brauchen wir vor allem Aufklärung und zielgruppengerechte Kampagnen.

Weinakademie: Zurück zu den konkreten Auswirkungen.

Quelle: Wineboard of Ireland

Quelle: Wineboard of Ireland

Mike Finegan: Ja. Festzustellen ist auf jeden Fall eine Zunahme der Kofferraum-Importe. Immer mehr Leute fahren nach Nord-Irland um Wein zu kaufen. Selbst aus Dublin werden Mitfahrgelegenheiten angeboten. Dies wird durch den guten Wechselkurs Euro-Pfund verstärkt. Nord-irische Händler bieten ihren Kunden 1:1 Kurse beim Einkauf an und tragen selbst die Differenz. Zweitens: wer preiswert kauft, wird schlechter trinken. Durch den höheren Steueranteil bleibt für den Wein in der Flasche weniger übrig. Die Weintrinker werden wie die Autofahrer an der Tankstelle behandelt. Zunächst kassiert einmal der Staat. Drittens, und hier liegt die größte Gefahr für die weitere Entwicklung, durch die Steuererhöhung werden viele Weine die magische 10 Euro Grenze überschreiten und damit für das Gros der Weinliebhaber zu teuer werden.

Weinakademie: Heißt das, die Weinqualität insgesamt wird leiden?

Mike Finegan: So kann man sagen. Schon jetzt ist abzusehen: Die Hersteller werden auf einfachere Weine ausweichen, um unter der 10 Euro Marke zu bleiben. Auch die Tourismusindustrie wird es schwer haben: ein Glas Wein wird nicht mehr unter 8 Euro angeboten. Das ist prohibitiv. Ein irisches Paradox: Schon heute ist es preiswerter, irischen Whisky zum Beispiel aus Italien mitzubringen als ihn in der der Jameson-Distillery zu kaufen.

Weinakademie: Die Steuererhöhung in Irland wurde auch bei uns aufmerksam verfolgt. Wir haben darüber bestimmt nicht zum letzten Mal gesprochen. Vielen Dank nach Dublin.

Lesen Sie zur Steuererhöhung die Original-Meldung vom 15. Oktober 2008

Ein Kommentar

  1. Zunehmende Kofferraum-Importe würden sicher auch in Deutschland anstehen. Schon heute ist es im grenznahen Teil Deutschlands ein regelrechter Trend geworden mal eben schnell nach Frankreich über die Grenze zu fahren und Wein zu kaufen. Fährt man Samstags auf den Parkplatz der ersten Supermärkte hinter der Grenze, kann man an den Nummerschildern der Autos ablesen dass viele der Leute bereit sind über eine Stunde Autofahrt auf sich zu nehmen um dort Wein zu kaufen. Die französischen Supermärkte haben diesen Trend erkannt und forcieren mit Aktionen diesen (W)Einkaufstourismus natürlich mit allen Mitteln, bauen Zelte auf und verschleudern alle 2-3 Monate Aktionsweine palettenweise an Deutsche. Wäre nun aufgrund einer deutschen Weinsteuer die Preisdifferenz noch größer wäre es noch interessanter und würde dementsprechend in einem noch größeren Umfang betrieben werden! Die Auswirkungen des Preisunterschiedes sieht man in den Einkaufswägen. So wird schon heute in enormem Umfang zu diesen Aktionsverkäufen (häufig in speziell dafür aufgestellten Zelten) speziell Schaumwein und Crémant gekauft, da hier in Frankreich die Schaumweinsteuer entfällt.

    Mit den Worten „Wein hat mit Alkoholmißbrauch und vor allem mit Alkoholmißbrauch bei Jugendlichen nichts zu tun. “Binge-Drinking” ist ein kulturelles Phänomen, dem nicht mit Steuererhöhungen oder Verboten beizukommen ist“ spricht mir Mike Finegan übrigens aus der Seele.