Rheinwein hasste er …

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„Wenn man einen Vorgeschmack vom Henken haben will; so darf man nur Rheinwein trinken“ wird er von seinem Biografen Johann David Erdmann Preuss zitiert. Er selbst soll meist Bergerac mit Wasser verdünnt getrunken haben, heißt es an anderer Stelle und sein Lieblingsspeise sei ein“ fettes, sehr unverdauliches Gericht aus Mais und Käse“ gewesen. Friedrich – der große Preußenkönig – ein Polenta-Fan? Das zumindest war mir neu und eine Erkenntnis, die ich aus der Friederisiko-Ausstellung im Neuen Palais in Potsdam mitgenommen habe.

Kaffee und Kirschen

Ich habe eine Kaffee-Tasse des großen Friedrich angeschaut, die Rechnungen für seine Leibspeisen, zu denen auch die Kirschen gehörten, mindestens drei Hüte, die er auf dem Kopf gehabt haben soll, seine Totenmaske und jede Menge anderer Devotionalien. Ich durfte Räume betreten, die seit 30 Jahren nicht mehr öffentlich zugänglich waren. Darunter solche, die für viel Geld restauriert wurden und solche die noch nicht raustauriert sind.

Vor dem Neuen Palais

Vor dem Neuen Palais foto:mpleitgen

Über den Friedrich durfte ich erfahren

– daß er Kunst und Kultur förderte, indem er versuchte, die besten Musiker und Tänzer seiner Zeit in sein neues Opernhaus in Berlin abzuwerben.
– daß er Wissenschaftler und Philosophen durch Stiftungen und die Gründung von Instituten und Akademien  an sich band.
– daß er gar nicht so zukunftsgewandt war, wie oft dargestellt – sein großes Vorbild war der Sonnenkönig Ludwig XIV. Die Ereignisse in Amerika (Unabhängigkeitserklärung 1776) interssierten ihn nicht.
– daß er schwul war, ein großer Zyniker und am Ende völlig isoliert, weil er systematisch all sein Freunde vor den Kopf stieß.

Viele Fragen werden nicht gestellt

Als gelernter Historiker habe ich mich gewundert, warum ich wenig dazu erfahre, warum der kunstsinnige Friedrich im ersten Jahr seiner Herrschaft Schlesien annektierte (Bodenschätze, die es in Preußen nicht gab), warum in seinem Land jeder nach „seiner Facon selig werden“ durfte (Import von Arbeitskräften und know-how) und warum bei Torgau am 3. November 1760 mehr als 31.000 Soldaten in der blutigsten Massenschlacht des 18. Jahrunderts sterben mussten (die Ausstellung hakt das Ereignis unter RISIKO ab). Auch nichts darüber, daß dieser Friedrich in seinen Expansionsgelüsten in Europa nur von zwei Personen übertroffen wurde – Napoleon Bonaparte und Adolf Hitler. Diese Fragen scheinen für eine massenkompatible Ausstellung zum Preußenjahr nicht zu taugen.

Was ist Geschichte? Sind es die Ideen großer, hervorgehobener Menschen, die die Welt bewegen? Die Ausstellungsmacher scheinen Geschichte genau so zu interpretieren. Zitat Jürgen Luh, wissenschaftlicher Leiter: „Ruhm zu erlangen war Friedrichs wesentliche Antriebskraft“ – damit sollen endlose Jahre von Krieg und Elend aber auch der Aufbau von Landwirtschaft und Industrie erklärt sein? Da hat die Ausstellung etwas Rückwärtsgewandtes. Mit den oft rein materiellen Bewegründen für sein politisches Handeln tut sie sich schwer

Interessant wird es dort, wo sie sie den Friedrich als aktiven Self-Marketer enthüllt:  daß sein „jeder nach seiner Facon“ für Juden nicht galt oder er selbst gerne privatim die teuersten und ausgefallensten Roben trug, während er in der Öffentlichkeit in abgeschabten Uniformen auftrat. Zur Friedrich-Rezeption, die ihn im Nachhinein zu dem machte, den wir heute kennen, erfahren wir relativ wenig. Dass er im 19. Jahrhundert für „preußische Tugenden“ herhalten mußte, später für Groß-Deutschland oder heute für einen a-historischen Konservatismus, der 40 Jahre deutsch-deutscher Geschichte ungeschehen machen und in der Mitte Berlins wieder ein Schloss sehen will.

Der Holzweg ersetzt den roten Faden nicht

7 Millionen Euro soll die öffentlich finanzierte Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg (SPSG) die Ausstellung gekostet haben. Das Geld muss jetzt natürlich eingespielt werden. Und deshalb ist die Ausstellung schon morgens um halb zwölf brechend voll. Ein Gang durch das Neue Palais läßt die Vermutung aufkommen, daß dieser Notwendigkeit vieles untergeordnet wird. Statt eines Rundgangs gibt es Themenfelder – und statt eines Eingangs gleich mehrere. Das erlaubt bis zu tausend Besucher gleichzeitig in der Ausstellung – verhindert aber, daß der berühmte „rote Faden“ sichtbar wird.

Ohne das Begleitheft ist man verloren, denn die Exponate sind nicht beschriftet. Der Audioguide ergeht sich in wolkigen Worten – nur selten wird er in Bezug auf gezeigte Objekte konkret. Und dort wo er es tut, wird es schwierig: die richtige Dame im blauen Kleid zu identifizieren, wo es zwei nebeneinander gibt. Im Raum mit der Katte-Geschichte sucht man das zweite Richtschwert vergebens, daß als Beispiel für die zahlreichen Exemplare dienen soll, die auch heute noch herumgezeigt werden.

Der Tagesspiegel moniert, daß es statt der Filzpantoffeln, wie früher im Neuen Palais üblich, einen Holzweg gibt, der einen durch die Ausstellung führt. Eine kleinliche Kritik, mag man denken. Aber dieser Holzweg ist stellenweise so schmal, daß man sich kaum begegnen kann, kommt einem ein Rollator oder Rollstuhl entgegen, wird es äußerst problematisch. Und das ist fatal für eine Ausstellung, die man von allen Seiten her betreten kann. Stehenbleiben kann man nicht, zur Seite treten auch nicht. Also weiter im Gedränge, ständig das Knarren der Holzplatten im Ohr.

Über 70 Säle sind zu bewältigen. Nach fast vier Stunden wird man, wie es Frederik Hanssen sehr treffend beschreibt „wieder ins Freie ausgespuckt, frustriert statt inspiriert“.

Wer dem Friedrich als Person in seinem dreihundersten Geburtsjahr nachspüren und näherkommen will, tut das besser in der Küche oder im Weinkeller von Schloss Sanssouci oder im wunderbar restaurierten Rheinsberg – da hat er sich wohl selbst viel lieber aufgehalten, als in seinem Prunkschloss. Dass soll er nur für Staatsbesuche bewohnt haben oder wenn sich Gäste bei ihm aufhielten.

Friederisiko – Neues Palais und Park Sanssouci Potsdam
noch bis zum 28. Oktober 2012

Ein Kommentar

  1. Kleine Anmerkung: Schloss Rheinsberg hat Friedrich 1740 verlassen als er König wurde und es seinem Bruder Heinrich geschenkt. Der Lieblingsort des Königs war Schloss Sanssouci wie er selbst sagte und was durch seine langen Aufenthalte (wenn er nicht im Krieg war) belegt ist. Das neue Palais hat er selbst als Schloss zum Angeben bezeichnet, um seinen Gästen zu imponieren.