Wein darf nicht „bekömmlich“ sein

| 13.474 mal gelesen |

Wein darf auf  Etiketten und in der Werbung nicht mehr als „bekömmlich“ bezeichnet werden. Das hat jetzt das Verwaltungsgericht Trier in einer Sache gegen die Winzergenossenschaft Deutsches Weintor aus Ilbesheim entschieden. In ihrer „Edition mild“ hatte die WG einen Dornfelder und einen Grauen Burgunder/weißen Burgunder als „besonders säurearm und bekömmlich“ bezeichnet.

Dornfelder aus der Edition MILD Deutsches Weintor

Dornfelder aus der Edition MILD Deutsches Weintor

Die Ilbesheimer hatten zum Säure-Abbau ihrer Edition mild auf den Seiten des DWI geschrieben, „durch die Auswahl ganz bestimmter Bakterienstämme ließ sich der Säuregehalt des Weines erheblich reduzieren“. Dem Verfahren hatten sie den Namen „LO3-Schonverfahren“ gegeben.

Das Gericht entschied jetzt, der Begriff „bekömmlich“ sei „eine gesundheitsbezogene Angabe“, die nach EU-Recht für Getränke mit einem Alkoholgehalt von mehr als 1,2 Volumenprozent verboten sei (Az.: 5 K 43/09.TR). Punktum.

Der Spruch aus Trier kann als Muster-Beispiel für eine wirklichkeitsferne Entscheidung am grünen Tisch gewertet werden. Jeder der im Verkauf mit Wein zu tun hat, erlebt es jeden Tag:  die Bekömmlichkeit eines Weins steht für die Kunden ganz obenan! In nahezu jedem Verkaufs-Gespräch steht das Thema ausgesprochen oder unausgesprochen im Raum!

Gilt bei der Beratung jetzt das Radio Eriwan-Prinzip:  Ist dieser Wein denn auch bekömmlich?Im Prinzip ja, aber laut VG Trier ist mir verboten das zu sagen!

Das Urteil macht klar, wo es hingeht: es gibt eine starke gesellschaftliche Tendenz, die Wein und Alkohol unter die Drogen einordnen will. Warning-Labels, Werbeverbote und andere restriktive Maßnahmen sind die Mittel, die die Politik und der Gesetzgeber sieht. In diesem Sinne soll der Weinwirtschaft auch vorgeschrieben werden, wie sie über ihr Produkt kommuniziert.

Die Weinwirtschaft sollte die Zeit bis zu neuen Kampagnen, die nach der Bundestagswahl kommen werden, für eignene Ideen nutzen. „Wine in Moderation“ ist eine gute Initiative  und verlangt mehr Unterstützung.

Übrigens: auf die professionellen Abmahner kommt jetzt viel Arbeit zu. google weist für die Kombination „Wein + bekömmlich“ 39.400 Fundstellen aus!

Gegen das Urteil kann Berufung beim OVG Koblenz eingelegt werden.

6 Kommentare

  1. Pingback: Schreiberswein | Verkehrte Weinwelt

  2. Ich muss ja wohl nicht darauf hinweisen, dass genau das hier in Frankreich schon seit 1991 nicht mehr möglich ist…es ist übrigens auch eine Erhöhung der Steuer auf Wein vorgesehen, um die Anti-Krebs Programme der Regierung zu finanzieren.

    Die deutsche Ausgabe der Seite von Wineinmoderation klingt übrigens schon wie ein Medikamentenbeipackzettel (Getränkeeineiheiten usw. …)- bis hin zum fett gedruckten Hinweis am Ende, bei dem nur noch das “ oder Apotheker“ fehlt.

  3. @Iris

    ok, schön ist das nicht, aber notwendig. Wenn die Profession selbst nicht handelt wird sie b e handelt und von der Politik vor vollendete Tatsachen gestellt.
    Das beste Beispiel ist das „Loi Evin“ in Frankreich: einmal in der Welt, war es nicht mehr wegzubekommen. Deshalb ist jeder Anfang besser, als gar keiner!

  4. Das Loi Evin kenne ich leider seit Jahren zu genüge, Michael, deshalb ja mein Hinweis auf unsere Zustände in Frankreich, die die Kommunikation über unsere Weine immer schwieriger machen…Es ist ja dieser „Tradition“, die auch von den hiesigen Gerichten unterstützt wird, zu verdanken, dass alle offiziellen Seiten, die versuchen, vor allem gegen die Anti-Wein Kampagne der Gesundheitsministerin anzugehen, inzwischen vor lauter Autozensur eben meiner Meinung nach genau ihr Ziel, neue, jüngere Verbraucherschichten (ich spreche nicht von Jugendlichen!) trotz modischen Ikea-Ambientes bei der Illustration wohl nicht unbedingt erreichen werden.

    Diese europaweite Kampagne, die ja in vielen Sprachen im Internet präsent ist, also auch Geld kostet, kommt so hölzern daher, dass ich mir kaum vorstellen kann, das sie viel Wirkung zeigt.

    Da gibt es in Kanada meiner Meinung nach gelungenere Kampagnen und Webseiten, die zum bewußten und moderaten Umgang mit Alkohol aufrufen, ohne eben einem Beipackzettel für Abführmittel zu ähneln:-).

  5. Die ganze Aufregung ist nicht nachvollziehbar. Seit 20 Jahren wird Werbung mit Hinweisen auf die Bekömmlichkeit von Genussmitteln von deutschen Grichten als irreführend und deshalb verboten beurteilt (vgl. BGH: Gesunder Genuss, Topfit Boonekamp, Kaffe Hag I-III usw.). Deshalb hat das Oberverwaltungsgericht Koblenz erwartungsgemäß inzwischen das Verwaltungsgericht Trier bestätigt. Daran wird auch eine Revision zum Bundesverwaltungsgericht nichts ändern. Stellt sich dem Fachmann die Frage, weshalb es bei dieser bekannt eindeutigen Rechtslage überhaupt zu einer Klageerhebung kommen konnte. Ich hätte dem Kläger jedenfalls davon abgeraten.

    Was das mit „Politik“ zu tun haben soll, kann nur Herr Pleitgen erklären. Mit dem Loi Evin hat das alles ebenfalls gar nichts zu tun, weil dieses Fernsehwerbung für alkoholische Getränke generell verbietet und nicht nur solche mit Bezug zur Gesundheit.

    • Lieber Herr Schindler,

      sicher war es wenig aussichtsreich, in diesem Falle zu klagen.
      Sie werden mir aber auch zustimmen, daß Gesetze durch durch politischen Willen entstehen und somit Einstellungen und Haltungen ausdrücken . In diesem Sinne spiegeln sie unsere gesellschaftliche Wirklichkeit wider.
      Ein Beispiel dafür, was passieren kann, wenn sie einmal in der Welt sind und man sie wieder abschaffen möchte, ist das Loi Evin.