Wein in der Krise: Überleben nur im Schutz der Großen?

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BuenaVista Chief-Winemaker Jeff Stewart

BuenaVista Chief-Winemaker Jeff Stewart foto:Michael Pleitgen

Fünf bis zehn große Gruppen werden bis Ende des Jahrzehnts die Weinbranche dominieren“ sagte Chris Day 2003 bei der LIWF in London voraus. Day war damals Chef des australischen International Wine Investment Fund, der weltweit mehrere 100 Mio. Dollar in Weinfirmen investierte. Unter dem Dach der großen Gruppen sah er 200 bis 500 Wein-Firmen, die 20 – 30% des operativen Wein-Geschäftes betreiben. Seine Vision leitete Day aus dem ständig wachsenden Anteil des Lebensmittelhandels am weltweiten Weinverkauf ab. Auf der Produzenten-Seite konnten seiner Meinung nach nur entsprechend aufgestellte Firmen mithalten.

Day hat in vielem Recht behalten: allerdings geht die Tendenz eher zu weniger als mehr Global-Playern. Und die Erschütterungen, die die Finanzkrise in der Weinwirtschaft in den USA und Australien auslöste, konnte er auch nicht voraussehen. Der Wine Ivestment Fund befindet sich selbst seit Jahren in Re-Strukturierung.

Solide Finanzierung und der Zugang zu den Distributionskanälen, zum Handel, spielen eine immer größere Rolle.  Es geht heute immer weniger um Weingüter und Weine. In Kalifornien können wir zur Zeit live ein Beispiel erleben.

2007 bereinigte der viertgrößte weltweite Spirituosen-Hersteller Jim Beam sein Portfolio. Er trennte sich von seinem Wein-Engagement, „die Margen sind zu klein“, und verkaufte die Sparte für 885 Mio USD an den Wein-Giganten Constellation. Zu den verkauften Weingütern gehörten unter anderen Clos du Bois und die drei traditionsreichen Weingüter Geyser Peak, Buena Vista Carneros and Gary Farrell aus Sonoma.

Ebenfalls 2007 sah der ehemalige Jim Beam Wein-Manager Jim DeBonis die Chance, die Sonoma Weingüter in lokalen Besitz zurückzuholen. Er sammelte Geld von Investoren, Banken und Mitarbeitern ein und kaufte 2008  für 209 Mio Dollar die Weingüter von Constellation zurück, die er unter dem Namen Ascentia Wine Estates versammelte. DeBonis bekam in der Region viel Beifall: „A great story. Local brands, local ownership and competent management“ ließ sich ein Wein-Broker und Investment-Banker zitieren.

In den Jahren 2000 bis 2007 hatte sich der US-Wein-Markt stürmisch nach oben entwickelt. Die Zuwächse im Premium-Segment waren beachtlich. Unter diesen Vorzeichen war es zwar immer noch riskant, fast zu 100% mit fremdem Geld zu arbeiten, aber es schien machbar. DeBonis hatte sich einen starken Partner ins Boot geholt, der nicht nur finanziell beteiligt war, sondern auch den landesweiten Vertrieb übernehmen sollte. W.J. Deutsch & Sons ist einer der großen Importeure und Händler in den USA.

In der Rezession entwickelte sich der US Markt ganz anders als vorhergesehen: Premium verlor massiv und der Handel konzentrierte sich auf Markenweine und Billig-Angebote. Auch Deutsch mußte sich entsprechend orientieren und kündigte jetzt die Partnerschaft mit DeBonis Ascentia Wines. Die Firma steht auf einmal ohne Vertrieb da. Der ehemalige Teilhaber Deutsch reichte zudem eine Klage wegen Insolvenz-Verschleppung ein.  Ascentia wehrt sich gegen die Vorwürfe. Vor Ort traut man DeBonis zu, neues Geld zu beschaffen und Ascentia zu restrukturieren. Der Ausgang bleibt abzuwarten.

Die Ascentia Geschichte zeigt: lokale Initiative und Investoren reichen heute nicht mehr aus, weltbekannte Weingüter und Weine über stürmische Zeiten hiwegzuhelfen. Es scheint, daß Weinwirtschaft auf diesem Niveau tatsächlich das Geschäft internationaler Gruppen geworden ist.

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Ein Kommentar

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