Wi(e)der die Weinwettbewerbe

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Weinwettbewerb

Verkostung bei einer Weinprämierung foto:jean-louis zimmermann/flickr

Da standen sie im Regal bei LIDL einträchtig nebeneinander: Junge Winzer, Weissburgunder, Baden 2009, 5,99 Euro mit einem Bepper von Meiningers Weintest, Qualitätsurteil „sehr gut“ , 88 Punkte. Ein Stück weiter ein roter Bordeaux AC 2009 für 2,49 Euro. Das Preisschild am Regal größer als normal: „Gold bei der 14. Berliner Weintrophy„. Dazu das Logo des Wettbewerbes.  Zwei im besten Sinne ausgezeichnete Weine und auch noch so preiswert!

Ich war noch von der Lektüre der aktuellen WEINWIRTSCHAFT sensibilisiert, in der Chefredakteur Hermann Pilz die Weinwettbewerbe aufs Korn genommen hatte. Am Beispiel einer Gold-Trophäe des Meiniger-Mundus-Vini Wettbewerbers aus Berlin monierte er die Auszeichnungspraxis des Discounters. Die Losnummern des prämierten Weins und der Flaschen im Regal seinen unterschiedlich gewesen. Und siehe da:  Auch der Bordeaux, den ich in der Filiale bei mir um die Ecke erstand, hatte mit dem ausgezeichneten Wein auf dem Preisschild so gut wie nichts zu tun. Das Weintrophy Gold bezog sich auf einen Wein des Jahrganges 2008, in meinem Korb hatte ich einen 2009er. Freundlich, daß der Discounter quasi im Kleingedruckten darauf hinweist, welche Losnummer welchen Jahrgangs die Auszeichnung einmal bekam. Ob der berühmte Otto-Normalverbraucher diese Feinheiten versteht?

Theorie und Praxis

Hier darf man einmal fragen, was denn die ganzen Medaillen und Wettbewerbe für einen Wert haben, wenn sich mit „Gold“ oder „sehr gut“ bewertete Weine als Discount-Kreationen herausstellen? Und da unterscheidet sich die Weintest-Auszeichnung nicht von der des Berliner Konkurrenten: auch sie wurde wurde einem Discount Eigengewächs verliehen. Ein Witz am Rande: der von der Berliner Weintrophy mit Gold bedachte Billig-Bordeaux wurde vom TWQ Qualitätsmanagement getestet und wohl auch für gut befunden. TWQ wurde 2003 von Christoph Meininger und seiner Schwester gegründet. Meiningers Mundus Vini und die Berliner rangeln seit Jahren um den Spitzenplatz und trafen sich auch schon vor Gericht.

In der Theorie der internationalen Wettbewerbe heißt es, daß ein Wein mit 88 Punkten von jeder Profi-Jury egal wo auf der Welt wieder 88 Punkte bekommen würde. Das ist die Theorie. Jeder der schon mal in einer Jury war, weiss wie es dort zugeht. Da sagt dann vielleicht bei der Verkostung restsüsser Weine ein Verkoster aus Übersee, daß er davon keine Ahnung hat und das „Zeug“ auch nicht mag.  Schlechte Karten für den Flight halbtrockener Rieslinge, der zur Beurteilung auf dem Tisch steht: heute gibts hier keine Goldmedaille! Am Nebentisch ist dagegen zur gleichen Zeit jeder zweite Wein medaillenverdächtig, weil dort die Halbtrocken-Spezialisten beisammensitzen.

Welcher Wettbewerb für mich?

Auf der Webseite des Meininger Wettbewerbes Mundus Vini heißt es: „die gewonnenen Auszeichnungen gestatten eine prestigeträchtige Kennzeichnung der erfolgreichen Produkte in der Vermarktung“. Das ist auch der Grund warum Erzeuger und Handel viel Geld dafür ausgeben, ihre Weine in einem Wettbewerb anzustellen. Findige Verleger, Heftmacher und selbsternannte Weinspezialisten sind dabei, daraus ein richtiges Geschäft zu machen: die Zahl der Wettbewerbe ist in letzter Zeit Legion geworden, Weinmagazine füllen ihre Seiten mit Testergebnissen und jeden Monat werden neue Sieger gekrönt. Kollege Würtz hatte unlängst einige davon einmal näher untersucht. Besonders war ihm die Europa Medaille Ltd aufgefallen.

Als Erzeuger wird man alle Nase lang eingeladen, seine Weine prämieren zu lassen. Man sollte sehr genau hinschauen, wem man seine Weine zur Prämierung überläßt: wie seriös ist der Wettbewerb, wie lange gibt es ihn schon, wer verkostet dort, welche Weine gehen dort üblicherweise an den Start und wie renommiert sind die Auszeichnungen, die dort vergeben werden, wie oft und wo wird er in der Presse zitiert?  Entscheidend ist letztendlich die Frage, ob die errungenen Medaillen mir helfen,  Einkäufer und Endverbraucher für meinen Wein zu gewinnen.

Wenn die kürzlich veröffentlichten australisch/deutschen  Untersuchungen  mit  Weinliebhabern stimmen, daß die Verbraucher eher der Ausstattung und Anmutung eines Weines und fremden Urteilen als ihrem eigenen Geschmack vertrauen, dann dürfte die Zahl der Medaillen eher noch zunehmen. Und damit dürften dann auch die meisten Wettbewerbe und Tastings noch banaler werden, als sie es ohnehin schon sind.

3 Kommentare

  1. Hallo Herr Pleitgen,

    nichts gegen ihre Abstimmung am Ende, allerdings werden die Leser durch ihren Text wohl etwas zu sehr beinflusst um abschliessend noch unvoreingenommen abstimmen zu können.

    • Die Abstimmung soll eher keine wissenschaftliche Erforschung sein, sie ist eher als Meinungsbild gedacht. Unter den paar Lesern, die abgestimmt haben, sind Medaillen immerhin für ein Viertel wichtig.

  2. ich glaub, das Problem der „Abstimmung“ hier wird weniger in der Beeinflussung durch Herrn Pleitgens Artikel, als in der Erfahrung der Leser/Kommentatoren liegen, die ja wohl mehrheitlich nicht beliebige Weinkonsumenten, sondern eher Weinmarketing gewohnte Fachleute der verschiedensten Seiten des „Geschäfts“ sind :-).

    Das eine schöne Goldmedaille dem unsicheren Käufer, vor allem, wenn er auch noch ein gutes Gewissen für seinen Diskounter-Billigkauf sucht, eine große moralische Stütze ist, hat wohl jeder von uns (leider) schon in seinem Bekanntenkreis erfahren können…

    Im Fachhandel sinds dann wohl mehr die Sterne in einem der gängigen Weinführer, die diese Funktion übernehmen – und über die sich ja mit ähnlichen Argumenten diskutieren ließe (und auch schon wurde).