Discount: … und die Punkte sind von Parker

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Bei den Discountern gibt’s zur Zeit wieder jede Menge Parkerpunkte: 91 Punkte für 6,99 Euro bei Penny, 90 Punkte ebenfalls für 6,99 bei Norma und 89 Punkte für 8,99 bei Lidl. Wo kommen die Weine her?

Parker und Pancho Campo

Als man sich noch gut verstand: Parker und Campo Hand in Hand bei der Wine Future Rioja foto:thirstforwine/flickr/ CC BY-NC 2.0

Wie schon in den letzten Jahren kommt das Gros der Weine aus Spanien. Eine Carinena Seleccion DO 2007 bei Penny, ein roter 2007 Terra Alta DO bei Norma und ein 2008er Rioja DOCa bei Lidl.

Was sind die Parker Punkte im Discount wert?

Was sind die Parker Punkte im Discount wert?  Die Frage muss erlaubt sein, denn hier treffen zwei ganz große Krisen aufeinander: auf der einen Seite die massive Absatzkrise der spanischen Weinwirtschaft und die aktuelle Vertrauenskrise, in der sich Parker in Bezug auf Spanien nach dem Ausscheiden seines Regional-Verantwortlichen Jay Miller befindet.

Sind die Parker Punkte echt? Zweifelsohne – denn sie stammen aus den Beurteilungen des Wine Advocate. Sind die Punkte gekauft? Das weiss man nicht und das lässt sich wohl auch nicht so schnell klären. Die Miller / Campo / Parker Affäre wurde bisher in Deutschland noch nicht so richtig wahrgenommen – obwohl sie der Torpedo sein kann, der den großen Parker-Dampfer vielleicht nicht zum Sinken bringen, ihm aber doch massiven Schaden zufügen kann.

Die Miller / Campo / Parker Affaire

Letzte Woche schickte die Weinwirtschaft einen Extra-Newsletter herum mit einem Verweis auf einen Artikel im aktuellen Meiniger Wine Business International mit dem Titel: »A long, hard look at the Spanish cash for access scandal«.

Wer die Geschichte noch nicht kennt – in vier Sätzen lässt sie sich ein etwa so erzählen: der spanische Business-Man, Master of Wine (MW) und Veranstalter von Wein-Groß-Ereignissen wie Wine Future Pancho Campo organisiert eine Tasting-Tournee mit dem Parker-Regional-Taster Jay Miller. Angeblich machen Einladungen an Kellereien, Weine entgeltpflichtig zu den Tastings anzustellen, die Runde. Diese Schreiben können so gedeutet werden, dass die Bestplatzierten hinterher im Wine Advocate Erwähnung finden. Daraufhin soll viel Geld geflossen sein: allein in der Region Murcia sollen es an die 30.000 Euro für 1 ½ Tage Tasting und Seminar gewesen sein.

Wer sich direkt informieren möchte – die Affäre hat der Decanter Autor Jim Budd so richtig ins Rollen gebracht. Nachzulesen ist es auf seinem Blog Jim’s Loire.

Parker äußerte sich lange nicht. Jetzt lässt er einen Rechtsanwalt ermitteln. Das Institute der Master of Wine prüft seit letzter Woche, ob Campo den Verhaltens-Kodex des Institutes verletzt hat. Kommentatoren weisen darauf hin, es sei nichts Ungesetzliches passiert – so laufe Wein-PR eben. Gut – der Ansicht kann man sein. Da wäre es aber dann auch nicht mehr weit zu der Folgerung, der ganze Parker-Zirkus sei PR. Die Parker-Punkte im Discount könnten für diese These zu sprechen.

Übrigens: die Parkers und die Master of Wine dieser Welt kamen immer gerne, wenn Campo rief – auf den Fotos von Campos Wine Future Konferenzen sieht man sie Hand in Hand.

Die Misere der spanischen Weinwirtschaft

Aus Spanien kommt zur Zeit jede Menge extrem preiswerten Weines. Die spanischen Exporte sind im laufenden Jahr deutlich gestiegen, während der Wert genauso deutlich gesunken ist. Nach dem Zusammenbruch des Inlandsmarktes in Spanien, versuchten neben den bekannten Bodegas immer mehr Erzeuger zu exportieren. „Nicht selten unter dem Motto: Koste es, was es wolle“ schreibt der renomierte Weinjournalist Jürgen Mathäß in der Weinwirtschaft.

Trotzdem halten sich die Fachhändler zurück: weil sie kein Geld haben, sagen die Spanier – nach Mathäß. Weil sie misstrauisch sind, kann man vermuten. Wer weiss, wie lange es die Vertragspartner auf der iberischen Halbinsel noch machen – bei einem Durchschnittserlös von 97 Cent pro Liter im Export. Wer weiss, ob man nicht heute immer noch zu teuer einkauft angesichts freiwilliger Preissenkungen und Dumping-Angebote. Und wer weiss, wie viele spanische Parker-Punkte demnächst noch beim Discounter auftauchen.

Spanien / Parker / Discount: der Kreis schließt sich

Hier schließt sich der Kreis: die Spanier brauchen die Punkte für den Export. In den USA lässt sich so gut wie nichts ohne die begehrten Punkte verkaufen. Und auch bei uns zählen sie im Handel immer noch zur harten Währung.

Jetzt ist wohl beim Run auf die Punkte eine Panne passiert. Pancho Campo habe nicht nur Parker und dem MW- Institut einen Bärendienst erwiesen, schreibt Ryan Opaz von Catavino  –  ein intimer Kenner und engagierter Kämpfer für den spanischen Wein – vor allem seien auch die spanischen Erzeuger beschädigt. Zur ökonomischern Krise komme jetzt auch noch ein PR-Gau, der seinesgleichen sucht.

“ Wie kann es sein, dass die Menge plötzlich für Exporte in die ganze Welt und die Masse der Aldi Süd-Käufer reicht?“, fragt sich die  Weinwirtschaft, wenn es von einem 4,99 / 90 Parker Punkte Wein angeblich nur 50.000 Flaschen gibt. Nicht nur der Weinwirtschaft kamen  Parker-Weine bei Aldi & Co „spanisch“ vor, auch bloggende Weinjournalisten zweifelten schon des öfteren an den Beurteilungen. „Schade für die Aldi Käufer. Für 4,99 Euro gibt es Besseres, viel Besseres … “ schreibt Weinwirtschaft Chefredakteur Pilz dazu.

Allen den es Spaß macht: preiswerte Weihnachten mit ganz, ganz vielen Parker Punkten!

9 Kommentare

  1. Weine die mit Parker-Punkten vollgeladen sind, sind für mich mittlerweile ein Grund diese erst gar nicht mehr zu kaufen. Das ganze Parker-System ist doch schon so dermassen ausgeartet, dass nur mehr wirklich „Hörige“ dran glauben, dass hier alles mir rechten Dingen zugeht. Würden sich die Leute wieder mehr auf das verlassen was sie selber schmecken bräuchte kein Mensch hier einen Parker und schon gar nicht seine Punkte. Aldi, Parker, 90 Punkte und das alles um 5 Euro. Wer daran glaubt gehört sowieso gestraft.

  2. Hi, Leo!

    Sich auf das zu verlassen, was man selber schmeckt, bedeutet, dass man den Wein schon einmal gekostet haben muss. Das Gros der Menschen, das sich beim Discounter einen Wein besorgt, hat wohl noch nie einen Wein zu Kosten bekommen, bevor er ins Wagerl gelegt wurde.

    Ein Wein um 6,99 ist für viele eine echte Ausnahme und etwas Besonders zum Festtagsessen. Da liegt es doch nahe, den Kunden mit Punktesystemen oder Informationen von professionellen Verkostern zu versorgen. Ehrlich sollte es halt sein.

  3. Pingback: Advent, Advent, der Preis verbrennt! |

  4. Der passende Wein ist immer der, an den man sich noch erinnert, ob mit PPs oder ohne.
    Aber das entscheidende hat Herr Pleitgen gesagt: Neben dem aktuellen „PR-Gau“ führen die Spanischen 4,99€/90PP-Geschöpfe nicht nur zu einer Inflation der Punktewertungen, sondern auch zu einer Vertrauenskrise hinsichtlich derartiger Bewertungen, sowie bzgl. dem „System Parker“ im Besonderen.
    Viele Weine verkaufen sich einfach durch die Medaillen und PPs & Gambero Rosso-Wertungen deutlich besser als ohne, die Wertungen liegen allerdings meines Erachtens nach oft meilenweit neben den Rankings, die bei höherwertigen Weinen angelegt werden.
    Ist der Wein erstmal bei Aldi & Norma gelandet, ist er für den Fachhandel oft verbrannt und wird dahin auch kaum zurück gelangen…
    Dazu hab ich ua. hier geschrieben:
    http://baccantus.de/2011/11/30/advent-advent-der-preis-verbrennt/

  5. @Tom: Grundsätzlich hast Du nicht unrecht. Was ich meine ist aber eher der generelle Umstand, dass sich eine Masse von Weintrinkern überhaupt nur auf Punkte (von wem auch immer) verlässt und glaubt, dass dies automatisch ein guter Wein ist. Wenngleich ich zugebe, dass ein guter Wein natürlich auch nur jener sein kann der einem selbst schmeckt. Und das ist 100% subjektiv. Ich prangere auch nicht diese Leute an die sich um 5 bis 7 Euro einen Punkteüberladenen Wein kaufen weil sie keine Ahnung haben, sondern den Punkte- Bewertungs- und Auszeichnungswahnsinn an sich. Wer wirklich Spitzenqualität bei Aldi erwartet der ist halt ein wenig weltfremd, genauso wie jeder der glaubt, dass er bei Harrod´s billig einkaufen kann :-)

  6. Ich kaufe ab und an die ‚Spitzenweine‘ bei den Discountern, um zu schmecken, ob man vielleicht (und hoffentlich) in Richtung des Niveaus französischer Supermärkte unterwegs ist. Leider nicht, ich stelle bisher immer wieder fest, dass ich ab Hof bei vielen deutschen, französischen, italienischen Weingütern vergleichbare oder sogar bessere Qualität bekommen kann. Ein weiteres zweifelhaftes Beispiel für PP-Werbung ist derzeit bei Aldi mit 89 PP zu erleben: 2007 Latria, Celler Molandro, Monsant. Die 7 Euro ist er qualitativ wert, aber niemals 89 Punkte. Da frage ich mich schon, wer da welche Weine aus welchen Motiven so hoch bewertet.

  7. Sorry, aber der „renomierte Weinjournalist Jürgen Mathäß“ ist durch seine Verstrickung in die PR für die Weinwirtschaft in Spanien und Argentinien eher selbst ein Teil des Problems.

  8. Einmal und nie wieder! Ich hatte letzte Weihnachten einen spanischen Rotwein mit 92 Parker-Punkten zu VK 6,99€, mit ner schönen, auffälligen Lasche! Der Wein verkaufte sich blendend, aber die Diskussionen waren so zeitraubend dass ich darauf getrost verzichten kann!!! Nun gut bei ALDI diskutiert sicher kein Kunde mit dem Verkäufer über die Berechtigung von Parker Punkte, aber das ist eine andere Geschichte!

    Da nehme ich die Verantwortung lieber wieder selbst in die Hand und verhelfe den Kunden durch klassischen beratenden Verkauf zu Ihrem Genuss und bekomme hoffentlich, vorausgesetzt dass ich meinen Job gut machen, 100 KVP – Kunden Vertrauens Punkte die auf mich zurückfallen und nicht auf jemand anderen! Frohe Weihnachten euch allen…

  9. Die Agricola Castellana beliefert schon seit Jahren den Discounter ALDI-Süd. Zunächst begann sie mit dem Wein Veliterra, einer Komposition aus den Rebsorten Verdejo und Viura. Dass für ALDI der Originalname und nicht eine Zweitmarke benutzt wurde, verwunderte mich. Die Verkaufsleiterin Laura Hoyos erklärte dazu, dass man zukünftig keine Weine an ALDI verkaufen würde, die im Fachhandel unter derselben Marke angeboten werden. Nach der ersten Azumbre-Aktion bei Aldi sagte Laura Hoyos auf der PROWEIN, dass dieser Discounter 80% der Produktion des Azumbre zum gleichen Preis gekauft habe, den auch der normale Importeur gezahlt habe… Man muss schon sehr gläubig sein, um diese Aussage ernst zu nehmen… Und 80% der Produktion von nur 50000 Flaschen hieße, ALDI-Süd hätte bei angenommenen 2.000 Filialen nur 20 Flaschen zur Verfügung gehabt…. Als die Bodega im vergangenen Jahr ihren Wein Cuatro Rayas herausstellte, der große internationale Anerkennung erfahren habe, gratulierte ich mit der Bemerkung, dann könnte sie gegenüber ALDI noch einen weiteren Trumpf ziehen…