Wein auf dem Weg in den F-Commerce

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Frau im Supermarkt mit Weinflaschen

Ist es mit der netten Dame bald vorbei? foto:Jim Legans,Jr/flickr

In der Szene herrscht Goldgräberstimmung : „Von allem das Doppelte“ lautete das Motto einer E-Commerce Fachtagung Anfang Juni. Jochen Krisch von excitingcommerce schrieb dazu unter Verweis auf die bvh-Zahlen für 2010 „Nachdem wir inzwischen wissen, wie Online-Handel geht, wird der E-Commerce in den kommenden fünf bis zehn Jahren ein atemberaubendes Wachstum erleben. Kunden-, Umsatz- und Mitarbeiterzahlen werden sich weiter verdoppeln, verdrei-, vervier-, verfünffachen.“

Die Absatzwirtschaft widmet dem Online-Handel die Titelstory ihres Juli Heftes und stellt fest, daß auf der Anbieter-Seite „starke Marken und pfiffige Anbieter den Markt aufmischen. Kein Geschäft scheint mehr sicher vor der Online Konkurrenz.“ Das Kundenpotential ist gewachsen – laut Bitkom haben fast 27 Millionen jetzt einen schnellen Breitbandanschluß. Zudem haben die Deutschen gelernt: mehr als 40 Millionen haben schon übers Internet eingekauft und Facebook wirkt wie ein Turbo – „weil es Otto Normalverbraucher in die digitale Kommunikation und damit in die digitale Konsumtion führt“ zitiert die Absatzwirtschaft Volker Wiewer, den Chef eines E-Mail-Marketing Dienstleisters.

E-Commerce Profis entdecken den Wein

Es ist selbstverständlich, daß bei soviel Aufbruch auch der Wein nicht aussen vor bleibt – bald jeden Tag gibt es jemanden, der den Weinhandel digital neu erfinden möchte. Der letzte Schrei sind zur Zeit die Shopping-Clubs nach dem Groupon-Modell. Auf der Plattform werden Weine zu (extrem) günstigen Preisen vorgestellt, wenn eine bestimmte Anzahl davon vorbestellt ist, wird der Deal für alle perfekt. Angefangen hatte alles mit Mode, Schmuck und Unterhaltungselektronik – da hatte die vorwiegend jugendliche Zielgruppe die Vergleichsartikel und -preise weitgehend präsent. Mittlerweile funktioniert es auch mit Wein – ein Startup, dessen Beta ich mir diese Tage anschaute, blendet praktischerweise die Vergleichspreise der Konkurrenz gleich mit ein.

Seit einem Jahr ist 52weine am Netz, ein Ableger des französischen „Vente a la propriete“. Wir berichteten über den Start. Hier sieht man, daß es auch im Shopping-Club keine Wunder gibt: zur Zeit ist dort der 2009er Riesling eines „der absoluten Superstars des deutschen Weines“ für 10,90 € am Start. Dazu kommen 6,90 € pro Lieferung – ab 250 € frachtfrei. Den gleichen Wein gibt es zum Normalpreis bei einem anderen Anbieter für 10,60 € plus 5,00 € für den Versand – Versandkostenfreie Lieferung ab 100,00 €.

Die Konzepte kommen natürlich nicht aus der Weinszene selbst – sie werden von E-Commerce Profis für Wein adaptiert und gegebenenfalls mit Venture Capital ausgestattet. Tagtäglich gibt es dann Anfragen wegen links und Empfehlungen bei den einschlägigen Blogs. Dirk Würtz berichtete darüber, wie eine solche Anfrage oft abläuft. Wobei die von ihm angeführte Seite schon ein Stück weiter in Richtung Social Commerce getunt ist als 52weine und Kunden-Bewertungen mit einfließen läßt.

„Leider habe ich in der Zwischenzeit noch keine Antwort von Ihnen erhalten“ erinnerte mich letzte Woche eine mir unbekannte Dame hartnäckig per e-mail. „In 5-7 Minuten ist Ihr Weinproben-Angebot vollständig bei unserem Portal eingestellt.“ Man habe „täglich neue Anfragen“ von Kunden aus meiner Region. Normalerweise gäbe es auch bei mir keine Antwort auf ein solches Ansuchen. In diesem Fall habe ich der Dame geantwortet, daß genau so Marketing im Web 2.0 nicht funktioniert. Hätte sie einmal wirklich auf  meine Seite geschaut, wüßte sie, daß es – erstens bei uns keine Weinproben gibt und wir auch – zweitens keinen Wein verkaufen und wir – drittens ein reines B2B Seminar-Angebot fahren. Auf die Rückantwort warte ich noch heute.

„Paten des Internet“

Nicht jeder aus der E-Commerce Szene wird mit Wein glücklich – dazu ist das Thema dann doch etwas zu komplex. Ein bißchen Weinkenntnis oder das Anheuern eines Teilzeit-Sommeliers reicht eben nicht.

Beispiel eins: Naked Wines – Das viel gelobte und bewunderte Portal in Großbritannien mit maßgeblicher deutscher Beteiligung hat bis heute mehrere Millionen Euro gekostet und soll dieses Jahr erstmals aus den roten Zahlen kommen. So schwierig ist es, selbst wenn Weinprofis mit an Bord sind! Mit der WIV verfügt das Unternehmen über mehr als genug Wein-Handels-Wissen und der Gründer Rowan Gormley hatte vorher bereits Virgin Wines von Richard Branson gemanagt.

Beispiel zwei: weinfachhandel.de – Der Shop ist zwar noch am Netz – aber es gibt keine Weine mehr zu kaufen. Für Mai 2011 war ein Relaunch angekündigt – die Ankündigung steht heute noch auf der Homepage. Die Seite entstand als Teil des weitverzweigten Imperiums der Samwer Brüder, die vom Managermagazin einmal unter der Überschrift „Paten des Internet“ vorgestellt wurden. Sie sind dafür bekannt,  ein Internet-Unternehmen nach dem anderen zu gründen. Zalando gehört dazu und, so das Managermagazin „StudiVZ, Facebook, Groupon – kaum ein wichtiger Deal, bei dem die Samwer-Brüder nicht mitverdienen.“ Beim Wein scheint das Konzept scheint nicht funktioniert zu haben.

Wie geht es weiter?

Die unmittelbare Zukunft des Themas Wein im Internet ist absehbar – nachdem mit Jacques‘ einer der letzten nationalen Anbieter sein Geschäft ins Internet verlängert hat, geht es für die Großen jetzt darum, wirklich in den E-Commerce einzusteigen. Wie es geht, macht Rindchen mit meevio.de zu Zeit vor.

Damit dürften auch die mittleren und kleinen Händler sich gefordert sehen, ebenfalls ins Internet-Zeitalter zu starten und zumindest einen Shop zu eröffnen – mit schwierigen Erfolgsausichten. Das wäre dann das Modell für die Einzelkämpfer. Vielleicht finden sich auch ein paar Händler zusammen und kreieren gemeinsam eine Plattform, über die sie ihre Weine online vermarkten?  Die Zeit wäre reif dafür.

Noch etwas, auf das wir täglich warten können: der erste Wein-Shop auf Facebook! Auch wenn nach meinem letzten Artikel zu diesem Thema jede Menge Kommentare eingingen mit dem Tenor, Facebook ist keine Handelsplattform – die Shop-Lösungen für FB sind da, es gibt sie sogar gratis. Die großen Marken machen es vor. Wein hat viel mit Kommunikation zu tun – deshalb wird er auch bald im F-Commerce zu finden sein!

6 Kommentare

  1. Ersteinmal würde ich gern ein paar ordentliche Weinshops sehen wollen, die paar Großen sind ja nett, aber die kleinen Weinhändler sind im Internet mehr oder weniger nicht vorhanden, schaut man bei den Winzern nach stößt man auch nicht gerade oft auf Sehenswertes.

    Sucht man im Shopsystembereich weinspezifische Merkmale ist so gut wie nichts zu finden. Ich glaube schlicht nicht das man ohne entsprechende Spezialisierung mittelfristig Erfolg haben kann in einem Markt der von einer Handvoll Shops mehr oder weniger absolut beherrscht wird.

  2. Zum Thema weinfachhandel.de: Der Shop gehört zur Unternehmensgruppe FP-Commerce vom Samwer Imperium, welche in letzter Zeit einige Shops relauncht hat. Bei vielen war davor genau das selbe Erscheinungsbild wie bei Weinfachhandel derzeit.
    Bei den „Kinderwagen-Experten“ ist es immer noch so. Also vielleicht ist der Shop noch nicht Tod, sondern es wird einfach nur die Infrastruktur umgestellt?

  3. Eventuell liegen die Prioritäten derzeit anders, allerdings deutet die „Aufbewahrung“ der Rankings ja auf einen Relaunch hin.
    Soweit ich weiß, wurden die Relaunch Termine auch bei anderen Shops von FP-Commerce nicht eingehalten.

  4. Naja, wer sich das mal genauer anschaut sieht das es eine Aktualisierung der Domain gab, genauer am 3.6.2011, das der eingetragene Inhaber kaum nennenswerte Aktivitäten vorzuweisen hat und das unter der Domain ohne www ein gewöhnliches Plesk liegt.
    Kaum anzunehmen das FP-C so „semiprofessionell“ arbeitet. ;-)

  5. Pingback: Warum Stammkunden auch online immer wichtiger werden