Spitzen-Weingüter vs Gault-Millau

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14 Top-Betriebe haben sich in einem offenen Brief an den Verlag des Gault-Millau gewandt. Sie halten den vom Weinführer angekündigten  „freiwilligen Beitrag“ der am Wettbewerb teilnehmenden Weingüter “ für die positive Weiterentwicklung unserer Weinkultur abträglich„.

Alles Sturm im Wasserglas? <br>foto:96dpi/flickr

Alles Sturm im Wasserglas? foto:96dpi/flickr

Im Brief kündigen sie an dem Gault-Millau keine Proben mehr zur Verfügung zu stellen und bitten „dass in Zukunft von einer Publikation von Verkostungsergebnissen ihrer Weine und einer Beschreibung ihrer Weingüter abgesehen wird.“  Nach Bekanntwerden des Briefes gab es eine lebhafte Diskusion auf Twitter und in Wein-Foren , Blog-Beiträge hier: Dirk Würtz und in der Presse.

Einige meinen bereits, das Ende des Gault Millau sei gekommen. Es sei abzusehen, dass sich weitere Betriebe an dem Boykott beteiligen. Ein Weinführer, der nicht über die Top-Betriebe schreiben darf, sei nicht glaubwürdig.

Vom Gault Millau mag man halten, was man will. Es gab auch in der Vergangenheit schon genug lebhafte Diskussionen um diese Publikation. Er hat auch seine Verdienste. Die Briefschreiber selbst bedanken sich für die gute Zusammenarbeit und zollen „Respekt und Dank auch für viele positive Beiträge zum Marketing deutscher Weine im In- und Ausland„.

Aber was wollen die Weingüter? Ein Führer kostet Geld, Weine von Profis beurteilen zu lassen auch. Wenn das von den Verbrauchern über den Buchpreis nicht mehr honoriert wird und in Zeiten schleppender Konjunktur zusätzlich an den Anzeigen gespart wird, dann wird es den Führer eben nicht mehr geben. Der Versuch, bei den Produzenten einen Beitrag zu bekommen, war unsensibel aufgegleist. Herausgeber und Verlag hatten wohl ihre Position falsch eingeschätzt: die deutsche Weinwelt kann auch ohne einen Gault Millau leben. Allerdings würde mit dem Gault Millau eine weitere Plattform für Wein-Darstellung verschwinden. Das kann nicht im Interesse der Branche sein.

Übrigens: sollte von Seiten der Produzenten tatsächlich nicht mehr für Wettbewerbe gezahlt werden, wäre das Ende eines Großteils der Veranstaltungen besiegelt. Keine Medaillen mehr, keine Orden und Ehrenzeichen. Darüber hatte ich hier schon einmal berichtet.

Quo vadis Weinjournalismus? Ein Mitglied der schreibenden Zunft beantwortete die Frage letzthin etwas zynisch: außer den Journalisten interessiere dieses Thema doch niemanden. Die Produzenten hätten nur das Interesse, sich positiv dargestellt zu sehen. Und dafür brauche man keinen Journalisten oder Kritiker, sondern einen PR-Mann oder eine PR-Frau.

Vielleicht ist auch alles ganz anders: Mario Scheuermann hält das Ganze für einen Sturm im Wasserglas. Nach der Lektüre seines Artikels fragt man sich, ob es bei der neuesten Diskussion auch um eine Auseinandersetzung zwischen Feinschmecker und Gault-Millau gehen könnte. Marktbereiningung in Zeiten der Krise unter Mitwirkung des Winzer-Orchesters?.

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23 Kommentare

  1. Dass es hier um eine „Auseinandersetzung zwischen Feinschmecker und Gault-Millau“ geht, glaube ich nicht. Dass sich die Liste der Erstunterzeichner aus Weingütern rekrutiert, die gerne mal an in puncto Öffentlichkeitswirkung relativ unbedeutenden Events des Feinschmeckers teilnehmen, ist für mich noch kein Indiz, sondern erklärt lediglich, welche Winzer besonders gut miteinander können. Wer auch immer diese Aktion initiiert hat, wird sich natürlich erst mit Freunden unterhalten, bevor er Gefahr läuft, öffentlich plötzlich als alleiniger Kritiker des Gault-Millau dazustehen. Und so wird es auch gewesen sein. Warum aber ausgerechnet der verhätschelte Egon Müller diesen Brief mitunterzeichnet hat, versteht wahrscheinlich nur er selbst. Persönlich hat er jedenfalls keinen erkennbaren Vorteil von einem Scheitern des Gault-Millau – ganz im Gegenteil. Aber warum sollte ausgerechnet er sich zum Spielball des Feinschmeckers machen lassen? Eher geschieht das anders herum.

    • @ Werner Elflein

      Ich denke, dass wir hier tatsächlich live bei einer nächsten Markt-Bereinigungsrunde mit dabei sind. Welche Beweggründe Einzelne haben mögen, dabei mitzutun, scheint mir relativ unerheblich.

      Es wird Zeit, sich einmal über den Wein-Journalismus und unser aller Rolle als Ausbilder, Gutachter und Berater zu verständigen. Wer soll das künftig bezahlen? Professionelle Beschäftigung mit Wein ist kein Freizeit-Spass. Auch wenn Wein jede Menge Spaß macht, hört der (nach dem alten Sprich-Wort) bekanntlich beim Geld auf. Die Gault-Millau Diskussion könnte ein guter Anlass sein, d i e s e Debatte zu eröffnen!

  2. Pingback: Würtz-Wein | Der Gault Millau Streit

  3. Pingback: WEINKAISER » Streit um Gault Millau WeinGuide eskaliert

  4. Kompetenter und vor allem unabhängiger Weinjournalismus kostet Geld, keine Frage. Die Frage ist, von welcher Seite das Geld kommen soll. Kann man von den Produzenten Geld verlangen und dann angeben, dass man deren Produkten absolut unabhängig bewertet? Oder ist es nicht sauberer und logischer, das Geld von den Lesern zu nehmen, die dafür auch einen unabhängigen Journalismus erwarten können?
    Die Macher von Merum, der Zeitschrift für Wein und Olivenöl aus Italien haben da eine ganze klare Linie, wie auf deren Homepage nachzulesen ist:

    Stellungnahme „bezahlte Verkostungen“
    Liebe Merum-Leser,

    angesichts der zunehmenden Unsitte mancher Weinführer und Weinzeitschriften, sich Artikel und Verkostungen von den Winzern bezahlen zu lassen, tut Transparenz in eigener Sache not: Wir betonen ausdrücklich, dass unsere Verkostungen (Wein und Olivenöl) allen Produzenten offen stehen und komplett kostenlos sind. Tausende italienischer Produzenten können das bestätigen.

    Natürlich müssen auch wir dafür sorgen, dass wir genügend Geld einnehmen, um nicht von den Kosten aufgefressen zu werden. Irgend jemand MUSS zur Kasse gebeten werden… Das sind neben den Inserenten (bezahlte Inserate sind bei Merum immer klar unterscheidbar von redaktionellen Beiträgen!) in erster Linie Sie, liebe Leser! Sie ermöglichen Merum, indem Sie unser Magazin abonnieren, Hefte und Publikationen wie Merum DOC, Vino Grappa Olio oder das Merum Dossier Olivenöl bestellen und unsere Dienstleistungen nutzen. Als Gegenleistung bemühen wir uns, Ihnen mit reinem, unabhängigem Journalismus nützlich zu sein. Und dies tun wir – wie Sie wissen – kompromisslos.

    Ihre Merum-Redaktion

    • @Jean-Pierre Ritler

      Kann man von den Produzenten Geld verlangen und dann angeben, dass man deren Produkten absolut unabhängig bewertet?

      So oder so ähnlich wird die Frage oft gestellt. Aber der Punkt ist: die meisten Publikationen werden nicht von den Abonnenten oder Lesern bezahlt, sondern von den Anzeigenkunden (deshalb sind ja die Wein + Restaurantführer so umfänglich). Die Frage wäre hier genauso berechtigt. Wenn ich als Profi und als Journalist gefragt bin, zu urteilen, kann und muss ich das objektiv tun, auch wenn mich der Produzent oder der Anzeigenkunde bezahlt. Die Antwort muß J A lauten.

  5. @ Michael W. Pleitgen

    Das Grundprinzip sollte sein, dass der Leser den Journalisten bezahlt, und nicht die Produzenten. Wenn jemand eine Anzeige schaltet, dann bezahlt er für die Leser des Blattes, NICHT für die Leistung des Journalisten. Dass die meisten Publikationen zum grössten Teil via Anzeigen bezahlt werden, stimmt (was, nebenbei bemerkt, keine gesunde Entwicklung ist). Um in diesem Punkt die Unabhängigkeit der Journalisten zu gewährleisten, haben Qualitätsmedien ein Redaktionstatut, dass die Redaktion von äussern Einflüssen schützt. Hingegen sehe ich in Weinmedien leider auch viele „redaktionelle“ PR-Beiträge, die ich als Journalist nicht akzeptieren kann. Und dass die Leser so etwas auch nicht goutieren, zeigen die sinkenden Leserzahlen bei solchen Publikationen.

  6. Welcher Feinschmecker? *g Die Weinseiten im Gourmet-Heft gehen im Heft unter und der Rest, den ich sehr schätzte, ist bereits gestorben. So what?

  7. >>Das Grundprinzip sollte sein, dass der Leser den Journalisten bezahlt, und nicht die Produzenten<<

    Das ist doch, mit Verlaub gesagt, ein Ammenmärchen. Ich kenne keine Printpublikation des Segments, die überwiegend von den Einnahmen des Hefteverkaufs lebt. Sich selbst den Heiligenschein umzuhängen, Herr Ritler, war schon immer besonders scheinheilig und widerwärtig.

    Die Diskussion, die Michael Pleitgen vorschlägt, habe ich auch schon an verschiedenen Stellen angeregt.

    Das Problem sind auch nicht die vielen „redaktionellen“ PR-Beiträge, sondern die Tatsache, das mit ganz wenigen Ausnahmen freie Journalisten in unserem Segment kaum noch ohne PR-Einnahmen überleben können. Ich selbst habe das weitestgehen geschafft, um den Preis allerdings, dass ich eine andere Grenze „eingerissen“ habe – die zwischen dem Journalisten und dem Verleger. Das mag man beurteilen, wie man will……

    Ansonsten gibt es in Deutschland mit Ausnahme der wenigen Festangestellen keinen (!) großen Namen der Weinpublizistik, der nicht auf „Sondereinnahmen“ irgendeiner Art angewiesen ist.

  8. Pingback: Wer zahlt die Rechnung?

  9. Lieber Herr Supp

    Gerne antworte ich auf Ihre Einwände (außer Ihrem Vorwurf „scheinheilig und widerwärtig“, den ich nicht kommentieren möchte).

    Ammenmärchen: Sie kennen keine Printpublikation, die überwiegen vom Heftverkauf lebt? Ich kenne mindestens eine: Merum. Die Zeitschrift besteht seit 15 Jahren und lebt zu rund zwei Drittel vom Heftverkauf. Dieses Konzept ist immerhin so erfolgreich, dass wir von der aktuellen Krise nichts spüren, sondern im Gegenteil in die Redaktion investieren und neue Projekte in Angriff nehmen können.

    Zugegeben, es gibt sehr wenige Publikationen, die von ihren Lesern leben wollen. Aber der andere Weg hat sich als Einbahnstrasse erwiesen; die meisten Weinpublikationen sind in argen Finanznöten, bauen ab oder mussten das Handtuch werfen. Das Konzept mit hohen Anzeigeneinnahmen, PR-Artikeln etc. hat sich also nicht bewährt.

    „Das Problem sind nicht die ‚redaktionellen’ PR-Beiträge“, schreiben Sie. Nun, da habe ich ganz dezidiert eine andere Meinung. Ich glaube, dass der Leser unabhängigen und kritischen Journalismus erwartet. Wenn er aber stattdessen von Journalisten geschriebene PR-Artikel vorgesetzt bekommt, verabschiedet er sich über kurz oder lang von dem Medium. Beleg dafür sind die stetig sinken Leserzahlen von Zeitschriften, die redaktionelle PR erlauben. Und sinkende Leserzahlen würde ich durchaus als ein sehr ernstes Problem für einen Verleger bezeichnen…

    Das wahre Problem, sagen Sie, sei die Tatsache, dass ein Journalist ohne PR-Artikel nicht überleben kann. Nun, auch hier bin ich anderer Meinung. Möglicherweise, es ist schwierig, alleine mit Weinjournalismus genug Geld zum Leben zu verdienen. Aber die Alternative kann aus meiner Sicht niemals die sein, PR-Artikel für den gleichen Sektor zu schreiben, Weingüter zu beraten, für Weinhandlungen zu arbeiten oder Ähnliches. Wer das macht, verliert in meinen Augen seine Glaubwürdigkeit und Unabhängigkeit – mitunter das wertvollste, was ein Journalist zu bieten hat.

    Wer „Sondereinnahmen“ braucht, soll diese sich in einem anderen Sektor suchen. Merum z.B. hat ein striktes Redaktionsstatut und verbietet den Redakteuren explizit, in Sachen Wein oder Olivenöl von Produzenten oder Händlern Geld zu nehmen. Nur so kann man seine Unabhängigkeit bewahren.

    PS: Wen es interessiert: Mehr zum Thema durfte ich in einem Gastkommentar hier sagen: http://wuertz-wein.de/wordpress/2009/07/03/gastkommentar-von-jean-pierre-ritler-geschaftsfuhrer-der-zeitschrift-merum/

  10. Herr Ritler,

    Sie haben wirklich ein Talent, Ihrem Gegenüber eine Bestandsaufnahme als seine moralisch-ethische Postition unterzuschieben! Chapeau!

    Nein, ich habe an keiner Stelle geschrieben, dass ein Journalist nicht ohne PR-Artikel überleben kann. Entweder können Sie nicht lesen oder sie betreiben diese Art Unterstellungen absichtlich.

    Ich habe von PR-Einnahmen gesprochen, und die betreffen ein deutlich breiteres Feld als die (zumindest für mich meist leicht erkennbaren) PR-Artikel: Vorträge, kommentierte Verkostungen, das Schreiben von Broschüren, Prospekten und vieles mehr. Oder nehmen Sie die ganz harten Fälle, wo sich beispielsweise Renommiertitel wie Financial Times oder Stern ihre Weinkolumnen gleich ganz von Weinhändlern schreiben ließen. Da brauchte man dann nicht mal den Journalisten dazwischen bezahlen…. Tolles Modell!

    Ja, es ist leider (!!!!!) so, dass heute kaum ein Weinjournalist ohne diese Sondereinnahmen leben kann, und ich beziehe mich dabei auf die deutsche (!!!!!) Realität, da ich die Schweizer Verhältnisse nicht kenne. Aber gab es da nicht auch in der Schweiz ehrbare und respektierte Kollegen, die ihr Geld mit PR-Arbeit für gewisse Walliser Weinmessen verdienten?

    Ich selbst kann auf diese PR-Sondereinnahmen verzichten, und sei es nur, weil ich privat abgesichert bin und in den letzten Jahren durch eine kurze Festanstellung und drei, vier Riesenaufträge schlicht Glück hatte.

    Auch hier wieder nur ein netter Taschenspielertrick von Ihrer Seite!

    Aber eines lässt mich doch perplex: Gibt es da nicht jemanden, der für Merum über Wein und Olivenöl schreibt und irgendwie auch selbst Öl produziert, in der Vergangenheit sogar mal mehr oder weniger direkt in einen Weinhandel involviert war? Sie dürfen mich gern korrigieren, wenn ich irre.

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  12. Pingback: Gault Millau Debatte: Chance für den Wein?

  13. Hier ein Zitat, passend zum aktuellen Thema:

    „Wer nicht nur mit einem Qualitätsurteil, sondern mit dem gesamten Test werben möchte, der kann … Sonderdrucke anfordern. …. Die Kosten für die Sonderdrucke hängen von der Auflagenhöhe und der Seitenzahl ab. Nähere Informationen und Preise erhalten Sie……

    Hier können Sie die Logos …. zur Werbung mit Untersuchungsergebnissen bestellen. Das Logo ….. wird dem Anfordernden ….. in elektronischer Form … zugesandt. Für die Übersendung der Druckvorlage(n) fällt einmalig eine pauschalierte Bearbeitungs- und Aufwandsentschädigung in Höhe von EUR 500,00 (zuzüglich 7% Mehrwertsteuer) an……, “

    Das Zitat stammt übrigens nicht von Gault-Millau sondern von der Stiftung Warentest und ich kenne keinen, der sich darüber öffentlich aufgeregt hätte. Warum auch?

  14. @Norbert Pobbig

    Eben, warum soll man sich da aufregen? Würden allerdings die zu testenden Produkte von der Stiftung Warentest nicht verdeckt gekauft, sondern von den Herstellern kostenlos geliefert und – neuerdings – mit einem gewissen, „freiwilligen“ Obolus versehen, wäre das schon etwas anderes. Gäbe es dazu, anstatt eines exakten Testergebnisses, nur ein paar lausige Punkte, würde man sich schon mehr aufregen. Wären dann die Tester – nehmen wir das Beispiel – von Waschmaschinen, auch noch ein Waschmaschinenhersteller und ein Leiter eines Media Marktes… Dann, ja dann…

  15. Ach, jetzt habe ich doch glatt vergessen @16 meine Hausnummer anzugeben. Ist hiermit nachgeholt. Sonst heißt es noch, ich wäre auch so ein anonymer Schurke…

  16. @ Eckhard Supp:

    Nun, ich denke, dass wir beide unsere jeweiligen Standpunkt genügend klar dargelegt haben. Einig werden wir beide uns in diesen Fragen wohl nie.

    Schlage vor, die Leser entscheiden jetzt, was sie davon halten sollen. Denn es geht ja – aus meiner Sicht – in erster Linie nur um sie.

    Liebe Grüsse aus der Toskana

  17. Pingback: Schreiberswein | Unabhängiger Weinjournalismus in Gefahr?

  18. Wer heute noch glaubt, er wird auch morgen noch von dem Verkauf /Abo seiner (Fach-)Zeitschrift leben können und darüber hinaus noch objektiven und investigativen Fachjournalismus bieten will, wird sich im Privaten wohl eher der Tetra-Pack-Fraktion zuordnen müssen.

  19. Pingback: Ganz schön was los im Wein-Web! - Viva-Vino Biowein Blog

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