Food- und Gourmetportale lassen Printmagazine weit hinter sich

| 13.390 mal gelesen |

Die Zeiten für die Wein- und Gourmetpresse sind nicht besser geworden – die Zahlen für das 4. Quartal 2011  sprechen eine deutliche Sprache. Wie Mario Scheuermann ermittelt,

Rezepte werden online gesucht

Rezepte werden online gesucht foto:mpleitgen

sind die Kiosk-Verkäufe für Vinum, Weinwelt und Selection gegenüber dem Vorjahr um fast 24% gesunken und auch bei den Abonnentenzahlen geht es scheinbar unaufhaltsam weiter nach unten.

Kein Wunder: ich kenne niemanden, der eines der Magazine liest oder es abonniert hat und das nicht aus beruflichem Interesse tut oder weil er sie am Arbeitsplatz auf den Schreibtisch bekommt. Gut, da gibt es den Falstaff – der ist neu, das Themenspektrum ist breiter gefächert und es kann sein, daß er sich Leser bei den anderen Titeln geholt hat. Trotzdem: auch wenn man noch den Feinschmecker hinzu nimmt, hat in den letzten Jahren das gesamte Segment der Food und Gourmet-Presse an Lesern verloren.

Viele Leser sind heute online

Wo sind die ehemaligen Leser und Abonnneten? Interessieren sie sich nicht mehr für Essen und Trinken? Früher habe ich „Essen & Trinken“ gesammelt, einmal im Jahr gab es ein Rezeptverzeichnis – das Ganze kam in einen Schuber und wenn ich ein Rezept suchte, habe ich damit in Ruhe hingesetzt und geblättert.

Das funktioniert heute anders: wenn meine Schwiegermutter mir aus dem Garten einen Korb Zucchini mitbringt, schaue ich auf Chefkoch.de oder bei den Küchengöttern nach, ob es interessante Zucchini-Rezepte gibt. Da finde ich allein bei Chefkoch.de  7.290 bebilderte Rezepte, von Hobbyköchen und Hausfrauen ausprobiert und hochgeladen.  Die sind nicht alles tolle Rezepte, ehrlich gesagt, die meisten treffen nicht meinen Geschmack, aber sie bieten Anregungen. Und wer es ausländisch mag, hat die Wahl unter hunderten ähnlicher Portale aus aller Herren Länder.

Online-Portale wachsen schnell

Ich denke, daß es viele so machen. Irgendwoher müssen die Besucherzahlen der Food-Portale kommen. Seit 2009 ermittelt IVW auch die Zahlen für Online Angebote von der Aachener Zeitung bis Zeit online.  Aktuell werden 1.125 Online-Angebote geprüft. Insgesamt wurden im Dezember 2011 5,09 Mrd. Visits – das heißt einzelne zusammenhängende Nutzungsvorgänge – auf diesen Seiten registriert.

Mit Abstand Spitzenreiter bei den Food-Seiten ist chefkoch.de (Gruner + Jahr) mit 36.374.636 Besuchen im Dezember. 2011 waren es nur 28.309.476 Besuche, das ist ein Plus von über 28 Prozent. Auch die anderen geprüften Portale konnten ihre Besuche deutlich steigern. Kochbar.de (RTL interactive/VOX Television) von 3.619.561 auf 4.873.094 (+ 34,63%), daskochrezept.de (Burda Media) von 3.854.778 auf 4.351.761 (+12,89%), essen-und-trinken.de (Gruner + Jahr) von  2.070.757 auf 2.624.503 (+26,74%). küchengötter.de aus der Ganske Gruppe (G+U, Feinschmecker) verzeichnete ebenfalls eine beachtliche Steigerung, von 997.453 im Dezember 2010 auf 1.571.927 (+57,59%), liegt aber doch deutlich hinter den anderen Angeboten.

User gestalten aktiv mit

Interessant ist auch, was die Besucher dort besuchen: bei den Portalen, die auf die aktive Mitarbeit der User setzen, wie Rezepte und Fotos hochladen und kommentieren, wird zwischen 70 – 80 % auf den user-generated  content zugegriffen (kochbar.de, kochrezepte.de) bei den stärker redaktionell ausgerichteten Angeboten (essen&trinken.de, küchengötter.de und chefkoch.de) bewegt sich dies Zahl zwischen 10 und 30 Prozent. Das zeigt: wenn man sie läßt, machen die User mit!

Zur Zeit läßt kein einziges Weinportal seine Zugriffszahlen bei IVW monitoren – unisono heißt es aus der Szene, die Kosten dafür ständen in keinem Verhältnis zum Nutzen. Bis zu einer Million Page-Impressions / Seitenaufrufe (PIs) sind dafür jährlich 314 Euro zu entrichten, bis 12 Millionen (PIs) sind es 627 Euro.

6 Kommentare

  1. Hallo Herr Pleitgen,

    kein Zweifel, die Verlage haben sich auch nicht gerade mit Ruhm bekleckert. Beim Thema Internet haben sie geschlafen, beim Thema Tablets / iPad ebenso. Es gibt nur wenige gute Apps von Verlagen, dagegen viele tolle Sachen wie Flipboard oder Punchfork von anderen Anbietern bzw. Investoren. Einfach abwarten ist eben nicht immer die beste Lösung.

    Selbst bei den Tageszeitungen kann man gute Apps an einer Hand (!) abzählen – was angesichts der Vielfalt im Blättermarkt wirklich erschütternd ist. Mein Tageszeitungs-Abo kostet jetzt 360 Euro im Jahr, eine Ausgabe der von mir als beste Tageszeitungs-App eingeschätzten FR gerade mal 0,79 Cent. Bei Zeitschriften ist das nicht anderes.

    Ich liebe Gedrucktes – Zeitungen, Zeitschriften, Bücher. Aber der bezahlte Mehrwert darf nicht alleine darin liegen, dass sich Papier zwischen den Fingern gut anfühlt.

    Grüße aus dem eisigen Südbaden, Joachim Ott

    • Die Online Zahlen sprechen Bände – da geht es zwar nicht um gehobene Ess- und Trinkkultur, die dürfte den meisten im Netz zu abgehoben sein.

      Interessant: G+J, Burda und RTL haben ihre Pferde rechtzeitig an den Start gebracht. Die kleinen Verlage haben es noch nicht mal für nötig befunden, überhaupt einen Starter zu nomminieren. Das kann sich bös rächen – hinterher heißt es wieder: die Großen haben schon alles besetzt.

  2. Pingback: Lesetipp: Wo informiert sich der (Bio-)Weinfreund? | ECOVIN Baden

  3. Pingback: Die Alternative zum gedruckten Führer – wie Berliner Genußfreunde sich im Web organsieren

  4. Die vielen Besucher von Chefkoch und Küchengötter etc. haben auch vorher keine gehobenen Gourmet-, Wein- oder Foodmagazine gekauft.
    So einfach ist das leider nicht.
    Gut gemachte Titel haben weiterhin Ihre Chance auf dem Printmarkt. Sogar „alte Titel“ wie e+t konnte nach dem Relaunch wieder kräftig zulegen. Und ja, es gibt inzwischen eine Reihe hervorragender Seiten, die das Segment bereichern.

    • Die Zeitschriften am Kiosk sind ja in Zeiten des Internets nicht weniger geworden – eher mehr. Aber spitzer und spezifischer. Von der Wein-Presse kann man das leider nicht sagen…da wäre sicher noch Platz..