Money makes the wine go round

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Der erste wirklich bedeutende Markenwein kam seinerzeit aus Deutschland: Blue Nun eroberte in den 50er Jahren die Weinregale in Großbritannien und den USA.

Mike Veseth - Wine Wars

Mike Veseth - Wine Wars

Seit den 80er Jahren ließ die Strahlkraft der Marke nach. Und auch Blue Nun Gold mit Goldflocken (original 22 Karat) oder Blue Nun Light mit halb soviel Alkohol wie ein üblicher Wein, konnte den Niedergang nicht wirklich aufhalten. Trotzdem: Wer hat es erfunden?

Auch aktuell sind die Deutschen wieder dabei, gute alte Gewohnheiten im Wein über den Haufen zu werfen und neue Maßstäbe zu setzen. In den USA galt es als ausgemacht, daß Weinfreunde, auch wenn es um die unteren Regalbretter im Handel geht, gerne zu US-Marken wie Kendall-Jackson, Santa Margherita oder Beaulieu Vineyards greifen. Aldi Süd und  Aldi Nord’s „Trader Joes machen vor, daß es auch mit Eigenmarken des Handels funktioniert – nur noch eine Preislage tiefer, als man das bisher in den USA gewohnt war. In Deutschland sind die Aldis und Lidls ja schon einen Schritt weiter und produzieren ihre Premium-Range gleich selbst. „Junge Winzer“ oder die Keller-Weine lassen grüßen.

Blue Nun – ein Druckfehler

Die Geschichten von der blauen Nonne, die ein Druckfehler war und vom Aldi One-Buck-Chuck der dabei ist, überal dort, wo der Hard-discount Fuß faßt, den gesamten Preis-Einstieg im Handel zu prägen, sind nur zwei Episoden aus dem Buch „Wine Wars“ von Mike Veseth.

Um es gleich zu sagen: dieses Buch ist eines der interessantesten und kurzweiligsten Weinbücher seit langem – obwohl es von einem Wirtschaftswissenschaftler geschrieben ist. Mike Veseth unterrichtet politische Ökonomie an der University of Puget Sound in Tacoma Washington State USA. Gleichzeitig schreibt er seinen Blog Wine Economist.com .

Sein Verdienst ist es, mit  Wine Wars die letzten 50 Jahre Weingeschichte und Weinökonomie so miteinander in Beziehung zu setzen, daß sich alles zu einem großen Ganzen fügt.  Ich bin seit fast 40 Jahren mit der Branche liiert – so schlüssig und einleuchtend hat bisher noch niemand beschrieben, was ich in dieser Zeit persönlich mit-erleben durfte.

Teure Weine und die absoluten Billig-Weine reisen um die ganze Welt – und das schon seit langen Jahren. Die einen weil sie dem Reichtum folgen, die anderen, weil es um Bruchteile von Cents geht. Die meisten mittelpreisigen Weine werden nicht weit weg vom Ursprungsort konsumiert. Warum das so ist, kann man bei Veseth nachlesen.

Was die Bierbrauer mit der britischen Weinkultur zu tun haben

Er beschreibt, wie und warum Großbritannien sich in den 60er und 70er Jahren dem Wein öffnete – die großen Bierbrauer standen Pate. Die förderten dann konsequent die Masters of Wine und den britischen Wein-Journalismus mit den Flagschiffen Hugh Johnson und Jancis Robinson. Und er wagt einen Ausblick in eine mögliche Zukunft: China und Asien waren um die Wende des vor-vorigen Jahrhunderts schon einmal Projektionsfläche für wirtschaftliche Wünsche und Ängste – schließlich kam es dann ganz anders. Das könnte auch heute wieder passieren. China – ein großes Fragezeichen.

Terroiristen auf verlorenem Posten?

Und die Terroirfreunde – die terroirists – wie Veseth sie nennt? Die haben es schwer. Das Schöne, Gute und Wahre droht ihnen der Klimawandel aus den Händen zu winden. Die besten Champagner kommen demnächst aus Devon und Surrey. Was wird mit Bordeaux und Burgund? Den leichten Mosel-Kabinetten?  Vorhersagen sind schwierig – besonders wenn es um die Zukunft geht.  Diesem alten Bonmot möchte Veseth ausdrücklich auch  seine Prognosen unterworfen sehen – aber man könne aus der Vergangenheit einiges lernen, meint er.

Das große Geld – auch im Wein ist es nicht per se böse und vernichtend. Es muß nicht zwingend zu McDonald-Weinen oder Tausend-Dollar-Gewächsen führen.  Am Beispiel der Stag’s Leap Winery beschreibt Veseth den Spagat zwischen Disneyland und ambitioniertem Winemaking.  Für mich ist Opus One ein weiteres Beispiel – nachzulesen in meinem Interview mit Michael Silacci. Auch wenn heute mehr als gestern gilt:  Money makes the wine go round – es gibt noch Hoffnung!

Das Buch ist natürlich etwas US-zentriert – weniger allerdings als andere. Dazu hat es noch ein sehr brauchbares Stichwortverzeichnis und wie es sich gehört, umfangreiche Literaturangaben.

Mike Veseth, Wine Wars
255 Seiten, Rowman and Littlefield, Lanham MD, US
ISBN 978-0-7425-6819-8  Euro 19,50

PS  Da ist noch Veseths „the tale of two glasses“ – im Dickens-Jahr natürlich eine freche Anspielung. Nicht um zwei Gläser ging es damals, sondern um zwei Städte:  Paris – London.  Dahinter verbergen sich im Wein auch heute noch zwei unterschiedliche Konzeptionen. Veseths Gläser: eines ist halbleer und das andere halbvoll, er selbst ist Optimist: halbvoll also  ;-)

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