My brain hurts – zukünftig noch mehr Kopfschmerzen?

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„Can anyone give me some advice on what the hell all of these strange names are?“ dieser Beitrag auf der Diskussionsseite des Wine Spectator von 2002 ist nicht ungewöhnlich.

Blick ins Weinparadies bei Iphofen

Noch nie was von "Weinparadies" gehört? - bei Iphofen foto:Deutsches Weininstitut

Bis heute scheint sich an den „strange names – den merkwürdigen Wein-Bezeichnungen“ wenig geändert zu haben.  „German wine labels can be devilishly difficult to decipher – Deutsche Weinetiketten sind oft teuflisch schwer zu entziffern“ schreibt ein britischer Riesling-Freund kürzlich auf seinem Blog.

Die Bezeichnungen können selbst von Profis kaum auseinander gehalten werden und verursachen Kopfschmerzen. „My brain hurts!“ schreibt Master of Wine Patricia Stefanowics nach eine Mosel-Reise.

Mit der Umsetzung der neuen europäischen Weingesetzgebung besteht in Deutschland die Chance, mit vielen der nicht nur im Ausland nicht verstandenen Bezeichnungen aufzuräumen. Doch das Gegenteil scheint der Fall zu sein. So wurde jetzt aus Franken gemeldet, der dortige Weinbauverband wolle zukünftig auf die Begriffe Maindreieck, Mainviereck und Steigerwald sowie mittelfristig auf 20 Großlagen verzichten. Dafür wolle man aber die Zulassung zwölf neuer Bezeichnungen bei der Bezirksregierung beantragen.

Mit den neuen Namen „sollen die Weine noch enger an die jeweilige Tourismusregion gekoppelt werden. Wer die Region Churfranken kennt, wird sich auch für den Wein interessieren, der aus dieser Ecke kommt“, wird Verbandspräsident Artur Steinmann in der Presse zitiert. Bei dieser Aussage könnte schnell jemand auf die Idee kommen, zu fragen, was denn der trinken soll, der die Region Churfranken nicht kennt.

Mario Scheuermann hat im drintank die zukünftig angedachten Bereichsnamen einmal aufgelistet: Abt-Degen-Weintal, Churfranken, Frankens Saalestück, Main Himmelreich, Main-Süden, Mittelfränkische Bocksbeutelstraße, Mittelmain, Panoramaweg Steigerwald, Schwanberger Land, Volkacher Mainschleife, Weinparadies, Zabelstein. Hier dürften nicht wenige Verbraucher Probleme mit der geografischen Zuordnung haben – mit der Zuordnung von Weinen dürfte es noch schwieriger sein. Wer könnte wohl das Weinparadies lokalisieren oder etwas zum Paradieswein sagen? Eine Erfindung – der Paradieswein aus Franken hat sogar eine eigene Internetseite!

Sicher finden sich die Winzer vor Ort in den neuen Bezeichnungen eher wieder als in Maindreieck, Mainviereck und Steigerwald. Bei der Kreation neuer Bezeichnungen sollte es aber in erster Linie um die Kunden gehen. Aus Marketing-Sicht machen kleinteiligere Bezeichnungen für den Großteil der Verbraucher das Ganze noch unübersichtlicher, als es ohnehin schon ist. Die Kenner orientieren sich sowieso am Betrieb oder an der Lage.

Übrigens: die neuen Bezeichnungen sehen ganz so aus, als seien sie in engem Schulterschluss mit dem Tourismus zustande gekommen. Das macht Sinn: seit der Weinmarktreform gibt es Fördergelder eher für Infrastrukturmaßnahmen als für direkte Absatzförderung. Die Förderung des Weintourismus  ist eine solche Infrastrukturmaßnahme. Trotzdem sollte man die Kunden, die mehrheitlich im LEH vor dem Regal stehen, nicht aus dem Auge verlieren. Die sind an klaren, verständlichen Botschaften interessiert.

Aber es besteht noch Hoffnung – vielleicht auch für die ohnehin schon mächtig verwirrten Weinfreunde in Japan und China, wohin auch die Franken so erfolgreich exportieren. „Wir haben jetzt die rechtlichen Grundlagen abgestimmt, jetzt gehen wir natürlich noch einmal in die Diskussion“ wird Präsident Steinmann abschließend zitiert.

2 Kommentare

  1. Den Beipackzettel für deutschen Wein haben ja schon manche Bloggger und Winzer gefordert, demnächst dann auch mit Lagenkarte.

  2. Pingback: “Mittelfränkische Bocksbeutelstrasse” « Würtz-Wein