Sag mir wo die Freunde sind – eignet sich Facebook als Wein-Marketing Plattform?

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Facebook Friends

Funktioniert Wein-Marketing unter Freunden? foto:dan taylor/flickr

Könnte Vaynerchuk in Deutschland funktionieren? 59.000 Fans hat Gary auf seiner Facebook -Marketing Seite, 34.000 Fans für Wine Library TVMario Scheuermann hat auf Facebook 4.200 Freunde – als Weinreporter bringt er es noch einmal auf 3.200 Fans. Unser erfolgreichster Social-Media-Winzer Dirk Würtz erreicht in Deutschland 3.400 Freunde und der Internet-Sommelier Hendrik Thoma schafft 3.100 Freunde. Das sind sicher gute persönliche Scores – aber läßt sich damit ein Geschäft machen?

Jeder kleine Weinladen benötigt mindestens 2.000 – 3.000 Kunden in seiner Kartei, die bereits gekauft haben und dann regelmäßig beworben werden. Freunde und Fans auf Facebook sind noch keine Kunden: die meisten von ihnen dürften bisher nicht gekauft, sondern lediglich einmal geklickt haben.

Facebook Freunde sind relativ zu bewerten – meinte neulich Paul Truszkowski Category Manager Wine and Beverages von Gourmondo. Gourmondo hat  etwas über 2.000 Fans – 28 davon öffneten Ende November für einen Wettbewerb ihre Kühlschranktür und liessen die Gourmondo-Fans hineinschauen. In den drei Tagen der Aktion besuchten über 3.000 User die Seite und achtzig neue Fans kamen hinzu. Eine witzige, gut gemachte Aktion – die Response-Rate des Wettbewerbs ist mit 1,4 %  gut – denkt man an die Hürden: Kühlschrank vorbereiten, Foto machen, hochladen.

Verglichen mit konventioneller Werbung reagieren Facebook Fans mit sehr viel höheren Raten: das Verhältnis liegt zwischen 0,2% bei konventionellen Medien und 1,5% auf Facebook. Insofern hat Truszkowski recht, wenn er darauf hinweist, daß man auf Facebook schon mit kleinen Zahlen viel bewegen kann – wenn man die richtigen Fans hat.

Schaut man allerdings auf die absoluten Zahlen, dann mag man Diskussionsteilnehmern beim letzten EHI-Marketing-Forum recht geben: 56% der Handels-Manager halten Social Media für einen überbewerteten Hype und bevorzugen erprobte konventionelle Methoden.

Unterstellt, Facebook würde von den soziodemografischen Daten her ein Spiegelbild der deutschen Consumer-Landschaft sein, dann liessen sich bei derzeit 13 Millionen Facebook-Nutzern ca. eine Million User für das Thema Wein begeistern. Hieraus ein Geschäft zu machen, dürfte schwer sein. Allein Deutschlands größter Fine-Wine-Händler benötigt doppelt so viele K U N D E N -Adressen um sein Geschäft nachhaltig abzusichern.

In den USA gibt es 133 Millionen Facebook User. Heruntergerechnet hätte ein deutscher Vaynerchuk 10.000 Fans –  damit liessen sich bestenfalls Umsätze auf dem Niveau eines gut funktioniernden Weinladens generieren. Also: aufmerksam beobachten – wenn überhaupt, vorsichtig investieren – „Ball flach halten„, wie REWE Manager Marcus Haus laut Lebensmittelzeitung bei der EHI-Tagung sagte.

Gourmondo gibt es seit seit 8 Jahren. Gewachsen ist der Versender, der in seinen Reihen auf das Know-How ehemaliger AMAZON-Leute zurückgreifen kann, mit ganz klassischem E-Marketing: Adressgewinnung, Email, Newsletter, Affiliate – das betreibt er auch heute noch. Und das sollte man bedenken, wenn man sich mit eigenen Social Media Plänen trägt.

Facebook ist spannend – hat man die Kapazitäten, lohnt es auf jeden Fall das Bespielen. Allein die Einsichten, die man aus dem direkten Dialog mit den Kunden gewinnt, sind „Gold wert“, sagte neulich Paypal Social Media Officer Alexander Lengen (siehe Artikel vom 18.November).  Aber es ist fraglich, ob die kritische Masse für nachhaltige Wein-Geschäfte erreicht wird. Wie zu hören ist, sollen Unternehmen aus der Branche, die eingestiegen sind, als der Social Media Rummel begann, ihr Engagement zur Zeit kritisch hinterfragen.

13 Kommentare

  1. Lieber Herr Pleitgen,

    Sie stellen wieder einmal die richtigen Fragen. Selbstverständlich ist es nicht von Nachteil über einigermaßen viele FB-Freunde zu verfügen. Wir haben ja auch noch einen zweiten account „100 Grad Oechsle“. Die tatsächliche monetäre Wirkung läßt sich allerdings nur schlecht bis kaum dokumentieren. Fakt ist, es hilft den Bekanntheitsgrad und damit auch die Produkte zu stärken. Es haben sich auch schon die ein oder anderen Geschäfte Dank dieses Mediums ergeben. Insofern ist das eine wirklich gute Geschcihte, Nach wie vor ist es allerdings so, dass die Deutschen eher zuzrückhaltend sind, was das Kaufen im web anbelangt. Man informiert sich, danach sucht man den persönlichen Kontakt. Das passt natürlich auch und Sinn macht es ebenso. Ich persönlich kann eigentlich eine durch und durch positive Bilanz unserer Aktivitäten im Netz ziehen.

    • Man kann auch mit wenigen Freunden etwas bewegen — ganz klar. Aber Social Media ist (noch) kein Ersatz für konventionelle Methoden wie Mailings + Anzeigen. Wenig Sinn macht es zur Zeit noch für die stationären Händler, die in ihrem lokalen Umfeld nach Kunden suchen müssen – die Kontakt-Möglichkeiten sind zu gering.

      Betrachtet man die 1 Million potentiell Wein-Interessierten auf FB und bricht sie nach dem Schema Interesse-Information-Kauf herunter – dann bleiben noch 100.000 Käufer übrig, um die sich zur Zeit alle reissen.

  2. Und noch was: Das Wichtigste ist es, die Kontakte die man hat zu pflegen. Das ist im virtuellenLeben nicht anders als im realen. Wer glaubt, das Ganze sei ein Selbstläufer, der täuscht sich gewaltig!

  3. @Michael Pleitgen
    Es ist NOCH kein Ersatz, das ist richtig. Aber es ist auf dem Weg DER Ersatz zu werden. In zehn Jahren, spätestens, wird das alles noch ganz anders laufen und wir werden uns amüsiert an unsere ersten Versuche im Social Media zurück erinnern…

  4. Es geht in der Tat nicht um die absolute Zahl der „Follower“, wohl aber um die Determiniertheit oder auch „Hingabe“ dieser Personen zu unserem Thema. Völlig richtig ist, dass social media derzeit ein ergänzender, stützender Baustein von vielen ist. Das war in der Medienarbeit natürlich schon immer so, dass nur das Zusammenspiel unterschiedlicher Kommunikationsmittel zum Erfolg führt. Unterschätzt wird die Bedeutung der besseren Auffindbarkeit im Netz, durch Twitter- oder anderer accounts. Was bleibt? Das Zeitproblem! Und die angesprochenen Probleme den konkreten Nachweis zu führen, welche Kommunikationsleistung zu welchen Absatzerfolgen führte. Am besten sind Mehrgenerationen-Betriebe dran: Opa bringt Erfahrung und Know-How ein, die Sandwich-Generation (Sohn/Tochter) sorgt für Innovationen und der Enkel twittert. Wenn man das in 1 Person leisten will, braucht man Nehmer-Qualitäten, 6 Hände oder 48 Stunden am Tag.-) Trotzdem: Die Chancen überwiegen bei weitem!

  5. Und nicht zu vergessen die drei Falstaff Profile mit aktuell folgenden Zahlen:

    Falstaff 4.335
    Peter Moser 1.726
    Bernhard Degen 452

    total 6.513

    In diesem Frühjahr erst eröffnet, aber konsequent aufgebaut und gepflegt.

    Im übrigen meine Zustimmung zu der Analyse mit einer Anmerkung:

    Facebook hat für die Weinszene in den vergangenen 12 Monaten enorm an Bedeutung gewonnen v.a. in D/Ö/CH, aber man darf es nicht separiert betrachten vor allem im Bezug auf das Phänomen Vaynerchuck/Winelibrary. Der Erfolg beruht darauf, dass G.V. alle erfolgreichen Online-Kanäle gleichermassen bedient.

  6. Wenn hier schon die „Bären“ schreiben, will ich mich doch auch mal einreihen.

    Zuerst einmal ist es m.E. eine Milchmädchenrechnung facebook u.ä. Plattformen mit Nutzer-, Follower und sonstigen Zahlen für generierte oder potentielle Verkäufe heranzuziehen.

    Social network ist im klassischen Mediamix heute nicht mehr wegzudenken.
    Es geht nicht darum, Käufer über facebook zu finden, es geht darum, gefunden zu werden !

    Früher (und selbst heute noch !) war es unabdingbar, im Telefonbuch einen Fetteintrag zu haben. Warum ? Damit der Kunde Infos bekommt und nicht lange suchen muß.
    Was bringt diese Art Werbung ? Nichts !?
    „Ihr steht ja gar nicht mehr im Telefonbuch“ ist der Satz, der noch wohlmeinend geäußert wird.
    „Ihr seid ja noch nicht mal bei facebook“ wird der Satz sein, den bald der Winzer zu hören bekommt.

    Nicht die Eignung einer Plattform ist die Frage, eher geht es um den Willen der Produzenten und Dienstleister auf einer Plattform auch da zu sein für den Kunden. Bin ich nicht da, sucht sich der Kunde einen neuen Ansprechpartner, der da ist. Ein verlorener Kunde ist unter Umständen teurer als die Investition in eine Facebook-Seite.

    Es geht nicht um messbare Ergebnisse, das ist in diesem Zusammenhang zu einfach gestrickt, es geht um die Erkenntnis, dass es „ohne“ nicht geht.
    Nur wer das versteht, wird auch in Zukunft dauerhaft überleben.
    Wer dagegen nicht gefunden wird, ist für viele Menschen nicht mehr da – online wie offline.

    • Lieber Michael Rosenthal – auf Facebook präsent zu sein, ist unabdingbar. Gerade für Mittelständler gilt es den richtigen Maßstab zu finden und geschäftlichen Erfolg nicht von der FB Geschäftspolitik abhängig zu machen.

      Die Frage, wieviel potentielle Kunden ich erreiche, stellt sich bei FB wie bei jedem anderen Medium. Entsprechend wird dann die Investition aussehen – fetter Eintrag oder basic um im Bild des Adressbuches zu bleiben.

  7. Ich würde hier gerne noch einen anderen Ausblick in die Zukunft wagen: Seiten ohne nennenswerte Social Media Aktivitäten könnten schon bald aus ihren angestammten Plätzen in den Suchmaschinen verdrängt werden.

    Google ‚pusht‘ im Augenblick massiv Google+: Google+ Seiten springen in Amerika bereits „aus dem Nichts“ in die vordersten Ränge der Suchergebnisse. Außerdem gibt es Äußerungen von Google und andere Anzeichen dafür, dass ‚Social Signs‘ wie FB Shares und natürlich auch das „plussen“ einer Seite mit Google+ langsam Backlinks als Qualitätsfaktor für das Suchmaschinenranking ablösen werden.

    Mit anderen Worten – ohne erfolgreiches Social Media Marketing (zumindest im Sinne von Reichweite und Interaktion) könnte in Zukunft die Auffindbarkeit in Suchmaschinen sehr schlecht werden… Und genau das wird schon in diesem Jahr dazu führen, dass die Marketingwelt mit Geld um sich schmeißt, um ihre Nutzer zu mentions & shares auf Google+ zu bewegen – womit Nutzerzahlen, Bedeutung und Werbeeinnahmen von Google massiv steigen…

    Eine ebenso wichtige kartellrechtliche Konsequenz dieser Strategie wird übrigens sein, dass Google andere SM Plattformen, insbesondere natürlich die des Hauptkonkurrenten ebenfalls in den Serps wird pushen müssen, damit die Kartellbehörden Google bei ihrer Google+ SM Strategie gewähren lassen…

    Dann ist eine Webseite ohne zusätzliches SM vielleicht noch nicht einmal richtig im großen „Telefonbuch“ Google zu finden.

  8. Die von Sebastian Selch im 2. Absatz beschriebene Phänomene (Ranking/ G+) lassen mich auch seit kurzem die Augen reiben; diesmal nicht wegen roten Entzündungen, sondern wundersamen Ranking-Sprüngen nach vorn.-)