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Showrooming: im Laden probieren – online kaufen

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Es gab eine Zeit – und die ist noch gar nicht so lange her – da waren die Geräte der Firma RIM das non-plus-ultra. Jeder junge Immobilienkaufmann, Banker oder Börsenmensch trug eins bei sich. Nach der Arbeit – dann das Vergnügen: auf zur aktuellen Bordeaux-Probe zum Händler des Vertrauens!

Den größten Spaß bei der Veranstaltung machte den jungen Herren das Preise vergleichen – die vom Händler mit denen aus dem Netz. Drei Euro, fünf Euro – manchmal zwölf oder fünfzehn Euro Unterschied. „Also der preiswerteste Anbieter sind sie ja gerade nicht…“ war noch das Freundlichste, was man als Händler zu hören bekam. Oft wurden auch noch die Stammkunden verrückt gemacht, die durchaus willens waren, zu den ausgewiesenen Preisen zu kaufen.

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Best Buy foto:matteson.norman/flickr/(CC BY 2.0)

Sang- und klanglos meist die Verabschiedung am Schluss der Probe – statt wie früher eine Anstandsflasche für 18 Euro mitzunehmen, verdrückten sich die Blackberry-Leute ohne Gruß durch den Hintereingang.

Hier der Service – dort der Preis

Showrooming, wie es heute genannt wird, wird zum echten Problem. Beim Fachandel gibt es die Beratung, man kann ausprobieren und testen. Bestellt wird im Internet – denn dort gibt es den Preis.

Eine aktuelle Studie aus Deutschland zeigt, daß 43 Prozent der Smartphone-Besitzer ihre Geräte mehrmals im Monat nutzen, um in einem Laden Preisinformationen abzurufen.

Vor allem bei höherpreisigen Artikeln wird im stationären Handel ausprobiert und danach online gekauft – für Waren des täglichen Bedarfs ist das zu aufwendig. Niemand setzt sich wegen einer Dose Kondensmilch ins Auto, fährt woanders hin, sucht sich einen neuen Parkplatz und stellt sich noch einmal in die Kassenschlange.

Technik ist nicht die Lösung

Anders bei Haushaltsgeräten oder Elektronik – in den USA hat die Kette Best Buy – Vorbild für Saturn/Media-Markt- zur Zeit massiv mit dem Showrooming-Problem zu kämpfen. Technische Lösungen werden gestestet: Laser im Laden sollen die Kameras der Smartphones verwirren, QR-Etiketten auf den Waren beim Scannen auf die Best Buy Website lenken – es wird experimentiert. Doch ist klar – die Technik ist nicht die Lösung. Denn nach wie vor kann jeder in einen Laden gehen, ein Gerät ausprobieren und woanders kaufen.

Die Ansätze dürften eher woanders zu suchen sein: dort wo mehr Verkäufer präsent sind, scannen die Kunden weniger und vor allem besteht in einem Beratungsgespräch die Chance, dem Kunden die Vorteile des eigenen Angebotes zu verdeutlichen. Damit kommt man weg vom Preis – die Asse Beratung, Qualität und Service können ins Spiel gebracht werden. Best Buy investiert aktuell in die Mitarbeiterschulung.

Eine andere Strategie besteht in der preis-aggressiven Bewerbung und Präsentation von Eck-Artikeln. Sie prägen entscheidend das Preisgünstigkeitsurteil des Kunden – ob ein Laden günstig ist oder nicht. Auch Verhandlungen mit Lieferanten können zielführend sein: Exklusiv-Artikel oder eine andere Ausstattung können Sinn machen.

Strategien im Weinhandel

Doch zurück zur Bordeaux-Probe – welche Chancen hat man hier? Viele Händler verlangen zur Cru-Probe ein Eintrittsgeld, das bei Kauf erstattet wird – den Nachteil, daß dabei mancher Stammkunde weg bleibt, nehmen sie in Kauf oder versuchen, mit attraktiven Veranstaltungen auszugleichen.  Eine andere Möglichkeit ist, zu den teuren „Namen-Weinen“ preiswerte Alternativen und Geheim-Tipps anzubieten und das Käuferinteresse auf diese zu lenken. Andere sehen Crus nur noch als Dekoration – bei einem Händler wurde an die Devise ausgegeben, die Namen-Weine keinesfalls zu forcieren sondern die Exklusiv-Artikel und Eigen-Marken in den Vordergrund zu stellen.

Auch ganz auf das Geschäft zu verzichten, macht Sinn: Crus bringen nicht die Spanne anderer Weine, durch den Preisvergleich bekommt man zu dem noch ein ungünstiges Image und das Geschäft verlagert sich trotzdem mehr und mehr ins Internet. So hat sich Deutschlands größter stationärer Händler schon nach dem 97er Jahrgang bewußt aus dem Bordeaux-Geschäft zurückgezogen. Noch radikaler: Eigentümer Schlumberger hat seine FUB Läden letztes Jahr gleich ganz zugemacht.

Die letzten waren sicher kein Opfer von Showrooming –  sie sind aber Beispiele, wie man auf Veränderungen am Markt reagieren kann. Manchmal muss man eben auf extreme Veränderungen extrem reagieren.

Über Veränderungen im Markt und das Verhältnis zwischen stationärem Weinfachhandel und Online-Handel werden wir uns am 10. September beim Weinhandels-Workshop in Heilbronn austauschen.

2 Kommentare

  1. Umgekehrt wird auch ein Schuh draus: Im Internet erst mal das umfangreiche Angebot sichten, Vorauswahl treffen, dann im richtigen Laden ausprobieren und nach eingehender Beratung kaufen. Notfalls unter Nennung des Internet-Preises. Dann gehen nämlich viele Händler durchaus mit dem eigenen Preis runter. Zumindest so weit, dass die Internet-Bestellung inkl. Warten zu unattraktiv ist. Vielleicht funktioniert das nicht beim Wein, da dort die Mühlen ja bekanntlich noch langsamer mahlen als sonstwo, aber bei Sportartikeln hab ich das gerade mehrfach erfolgreich praktiziert. Tatsache ist, dass in vielen Warengruppen die Wege Shop-Internet durchaus keine Einbahnstraßen mehr sind. Außer beim Wein, wie gesagt!

    • Als Weinlieferant haben mir Fachhändler schon öfters vom Showrooming berichtet. Dies betrifft nicht nur die Weine aus dem „ultra-Luxus-Segment“ Grand Crus Classées (da kann der Fachhändler ja noch mit der vernünftigen Lagerung/Behandlung und ggf sogar auch noch die Herkunft (direkt vom négociant/Weingut) argumentieren, dieses Problem gibt es v.a. auch im interessanten Preissegment von Weinen zwischen 5 und 10 EUR EVP.

      Dort hilft oftmals das Argument, dass der Fachhändler den Wein auch kartonweise (im besten Fall) zur Verfügung hat.
      Mir sind viele Internet Weinhändler bekannt, bei denen ich den Eindruck habe, dass sie Weine in ihren shop stellen, nur um content und traffic zu erzielen – diesen jedoch tatsächlich nicht (oder nur in sehr geringen Mengen) auf Lager haben.

      Dann kann es bei einer Bestellung bei einem Internethändler zu „langen“ Lieferzeiten führen.
      Ganz zu schweigen von dem Usus, dass die meisten Internethändler in ihren AGBs den Passus aufführen, „bei nicht Verfügbarkeit den Folgejahrgang zu liefern“…

      Beim stationären Fachhändler kann man sich sicher sein, die Flasche zu erwerben, die man tatsächlich verkostet hat; ein Umtausch (z.B. Korkschmecker) gestaltet sich hier auch wesentlich einfacher.

      Also Argumente gibt es für den Fachhändler genug, seine Kunden zu überzeugen vor Ort zu kaufen, sollte dieser einen Kunden beim Showrooming „erwischen“…

      Grüße aus Stellenbosch

      Jan

      „Jan Schmidtborn“