Unser täglich Brot …

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Was haben die Herren Liebig, Nestle, Knorr und Maggi gemeinsam? Sie haben mehr Einfluß auf die moderne Ernährung als Herr Bocuse, Herr Schuhbeck, Herr Lafer und die ganzen Fernsehköche zusammen – und man kann sie bis Ende April in Mannheim treffen.

Kaufladen aus den 60er Jahren foto:mpleitgen

Kaufladen aus den 60er Jahren foto:mpleitgen

„Unser täglich Brot“ heißt die Ausstellung zur Industriealisierung unserer Ernährung im Landesmuseum für Technik und Arbeit in Mannheim.

Empfangen wird man dort, wo die meisten von uns auch sonst mit Lebensmitteln in Kontakt kommen: im Supermarkt. Nach dem Obst und Gemüse kommen da oft die Backwaren. Das Brot gilt immer noch als Inbegriff handwerklicher Herstellung. Deutschland ist mit über 300 Brotsorten laut  der Bäckerei-Werbung „das Land des Brotes“. Aber auch das Brot wurde früh industrielisiert, in Berlin vermitteln die Gebäude der Backfabrik in Ost-Berlin oder der Heeresbäckerei in Kreuzberg eine Idee davon. Immer noch werden 59% der Backwaren tatsächlich von Bäckereien oder Groß-Bäckereien hergestellt und vermarktet – aber die Discounter sind auf dem Vormarsch: 36% werden bereits bei Aldi und Co verkauft oder als Teiglinge beim Backwerk oder der Backfactory aufgebacken – mit schnell wachsender Tendenz.

Die Begegnung mit den vorgenannten Herren findet in der zweiten Abteilung statt. Ich fand erstaunlich, daß vieles unserer heutigen Massenernährung auf den Prinzipien und Erkenntnissen des 19. Jahrhunderts basiert. Einige technische Verfeinerungen – aber sonst hat sich an den Prinzipien nicht viel geändert. Eigentlich ist es nicht anders als beim Wein: das heutige Bordeaux oder der Champagne trägt ja auch noch deutlich die Spuren der Agrar-Industrie dieser Zeit.

Eindrucksvoll sind im weiteren Verlauf die verschiedenen Tischgemeinschaften, an denen man Platz nehmen kann: wie hat sich Ernährung im Laufe der Zeit verändert? Ich konnte die 5oer, 60er und 80/90er Jahre nachvollziehen. Da fühlte ich mich an die Tische meiner Kindheit und Jugend zurückversetzt. Zu den sich verändernden Menüs werden gleichzeitig Informationen über den inneren Gehalt der Nahrungsmittel und den Ressourcenverbrauch an Wasser und Energie vermittelt. Spannend!

Wer es anschaulich liebt, darf in einem Tante Emma Laden aus den 60ern shoppen, sensorische Versuche unternehmen – wie wärs mit Cola ohne Farbe – oder einmal probieren wieviel Kalorien er durch körperliche Aktivität vernichten kann.

Für die Austellung braucht man etwa zwei Stunden – die Jugend kann man auch mitnehmen: die Ausstellung ist für Schüler aufbereitet. Und wenn die Juniora oder der Junior gar keine Lust auf Liebig, Maggi und Co haben, können sie in der Technik-Austellung des Museums ein bißchen Dampflok fahren, angewandte Mechanik erforschen oder es in der Elektro-Abteilung mal richtig krachen lassen.

Unbedingt den Katalog mitnehmen – gut aufbereitet und mit vielen Hintergrundinfos!

Wer es noch bis Anfang März in den Südwesten schafft, sollte einen Abstecher auf die andere Rheinseite nach Ludwigshafen (gerade über die Brücke)  ins Wilhelm-Hack-Museum machen. Unter dem Titel „I love ALDI“ zeigen unterschiedliche Künstler ihre Positionen zum Thema „Discount“ und „billig“ – und Aldi kommt natürlich immer wieder vor, es ist halt die Ikone für das deutsche Billig-Ernährungs-Wunder.

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