Von Pontius zu Pilatus – die Behörden-Rally

| 6.438 mal gelesen |

Vielen Exsistenzgründern, die sich mit einem Weinhandel selbstständig machen wollen, ist nicht klar, welche Behörden-Rally ihnen bevorsteht.

Vor der Eröffnung eines neuen Ladens gehts erst mal zur Behörde

Berlin-Friedrichshagen: vor der Eröffnung eines neuen Ladens gehts erst mal zur Behörde...

Zunächst ist einmal alles um das Geschäft herum zu klären: darf in dem vorgesehenen Laden ein Weinverkauf eingerichtet werden? Bei der Außenwerbung, dem Aufstellen von Werbe- und Hinweisschildern hat die Behörde mitzureden. Oft muss ein Bauantrag gestellt werden, wenn zum Beispiel statt einem angeleuchteten Schild ein selbstleuchtendes Schild angebracht werden soll. Die meisten Schilderhersteller übernehmen die Antragstellung oder arbeiten mit einem Architekten zusammen. In den Verkehrsraum hineinragende Schilder sind in vielen Gemeinden nicht nur genehmigungs- sondern auch gebührenpflichtig. Jährlich ist eine nach Größe abzurechnende Gebühr fällig. Das trifft manchmal auch auf die Outdoor-Werbung vor dem Laden zu.

Ist wegen des Ladens einmal alles geklärt, geht es zum Ordnungsamt. Dort ist für 25 Euro die Gewerbeanmeldung abzugeben. In den meisten Fällen ein schlichtes A-4-Formular, das mit dem Stempel der Behörde versehen bei vielen anderen Behörden wieder vorgelegt werden muss. Das Formular kann man sich im Internet auf der Internetseite der Stadt oder Gemeinde herunterladen. Theoretisch sollte mit der Gewerbeanmeldung alles weitere veranlasst sein: das Finanzamt, die Gewerbeaufsicht, die Berufsgenossenschaft bis hin zu Polizei und IHK bekommen automatisch eine Benachrichtigung. Praktisch sieht es aber so aus, dass man nicht warten kann, bis die Behörden-Mühlen langsam in Gang kommen.

Um Rechnungen stellen zu können oder an der Laden-Kasse Bons zu drucken, braucht man eine Steuernummer vom Finanzamt. Das Ausfüllen des „Bogens zur steuerlichen Erfassung“ sollte man unbedingt zusammen mit seinem Steuerberater machen. Hier werden wichtige Weichen gestellt, die sich, ist der Bogen einmal abgegeben, nicht mehr so einfach umstellen lassen. Detailliert wird nach geplanten Umsätzen und Erträgen gefragt. Etliche Fragen sind ohne detaillierte steuerrechtliche Kenntnisse überhaupt nicht zu beantworten. Mit einem gesonderten Formular meldet man sich zur Teilnahme am Lastschrifteinzugsverfahren an. Die Formulare gibt’s wieder im Internet. Aber vorsichtig: mit den Formularen vom zentralen Formular-Server der Bundesfinanzverwaltung kommen nicht alle Finanzbeamten klar! Deshalb sollte man zusätzlich noch einmal auf der Seite des zuständigen Finanzamtes nachschauen, ob nicht dort ein anderes Formular angeboten wird.

Da man auch die Steuernummer wiederum für weitere Behördengänge braucht, geht man am besten selbst zum Finanzamt, gibt den Bogen ab und nimmt im Gegenzug die Steuernummer mit. Andernfalls riskiert man eine Wartezeit von mehreren Tagen bis Wochen. Vorher sollte man den zuständigen Sachbearbeiter anrufen und sich mit ihm abstimmen, damit er sich nicht überrumpelt fühlt, wenn man vor der Tür steht. Mit der Steuernummer kann man bei der Behörde in Saarbrücken eine Umsatzsteuer-Identifikations-Nummer beantragen. Das ist sinnvoll, wenn man Waren aus dem Ausland bezieht. Es macht aber auch Sinn, wenn man die Angaben auf Rechnungen und Quittungen so knapp wie möglich halten will: die Ust Id Nr macht die Angabe von Finanzamt und Steuernummer auf Belegen und auf der Internetseite überflüssig, da man europaweit finanz- und steueramtlich über die Nummer zu identifizieren ist. Beim Finanzamt muss man sich dann auch gleich noch zur Teilnahme an der elektronischen Datenübermittlung der Umsatzsteuer anmelden. Aber darauf wird einen schon der Steuerberater hingewiesen haben.

Als nächstes geht’s zur Berufsgenossenschaft. Nach einem kurzen Telefonat bekommt man die Erfassungsbögen zugeschickt. Mitarbeiter und Aushilfen müssen ordnungsgemäß versichert sein, zu prüfen ist auch, inwieweit man selbst als Inhaber zum Beispiel bei Wegeunfällen versichert ist. Manchmal kann es interessant sein, sich selbst bei der BG zu versichern. Dazu muß man prüfen, ob eine private Versicherung von den Beiträgen und Leistungen her günstiger ist . Die Angaben gegenüber der BG sollten mit denen der Gewerbeanmeldung übereinstimmen. Diese Angaben entscheiden über die Gefahrenklasse und den Beitrag. Sollen in dem Laden Arbeitnehmer oder Aushilfen beschäftigt werden, muss jetzt gleich noch beim Arbeitsamt die Zuteilung einer Arbeitgebernummer beantragt werden.

Um starten zu können, sollte man sich auch noch weiter absichern: auf jeden Fall muss eine Betriebhaftpflicht her, Einbruch, Diebstahl und Glasbruch müssen versichert werden. Wer noch mehr tun will, kann sich auch gegen eine Betriebsunterbrechung versichern. Das ist teuer, macht aber am Anfang noch wenig Sinn. Die wichtigste Versicherung für den Selbstständigen ist die Arbeitsunfähigkeitsvericherung, wenn man einmal für einen längeren Zeitraum ausfällt.

Was die wenigsten wissen, man kann sich auch für ein paar Euro im Monat als Selbstständiger gegen Arbeitslosigkeit versichern. Sollte der Laden einmal nicht so laufen, wie geplant, kann man sich dann arbeitslos melden. Gezahlt wird eventuell nach Vorverdienst oder Qualifizierung, zum Beispiel Berufs- oder Studienabschluss. Die Möglichkeit in diese freiwillige Arbeitslosenversicherung einzutreten besteht nur bis zu vier Wochen nach Aufnahme der Selbstständigkeit. Zuständig ist das Arbeitsamt.

Nebenher hat man noch die Gespräche mit seiner Bank zu führen. Bei der Eröffnung eines Geschäftkontos möchte man dort auch wieder die Gewerbeanmeldung sehen. Man hat dann genug zu tun, die Bank davon abzubringen, einen in eines ihrer Exsistenzgründerprogramme zu bugsieren. Manche Angebote der Banken sind durchaus sinnvoll, oft bedeutet das aber wieder zusätzliche Termine und Gespräche mit Leuten, die vom eigentlichen Geschäft nichts verstehen.

Bleibt zum Schluss noch die IHK, bei der man bereits Zwangs-Mitglied geworden ist, ohne es zu merken. Um nach Jahr und Tag Beitragsnachforderungen zu vermeiden, sollte man sich auch dort anmelden. In Zukunft wird sich dann wohl auch noch die GEZ melden, da nach den neuesten Planungen für jede Betriebstätte Rundfunk- und Fernseh-Gebühren zu entrichten sind, egal ob es dort überhaupt Geräte gibt. Wollen Sie in Ihrem Laden ein bisschen Hintergrundmusik laufen lassen oder haben sie zur Eröffnung vielleicht eine Band gebucht? Dann bitte die GEMA nicht vergessen.

Der kleine Streckenplan unserer Rally erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Eine komplette Firmengründung ist noch viel umfangreicher. Nach wie vor dürfte eine Gründung in Deutschland im Vergleich mit anderen Ländern mit am längsten und aufwendigsten sein. Allein für die oben genannten Stationen muss man sich 3 – 4 Tage Zeit nehmen.

2 Kommentare

  1. Lieber Michael Pleitgen , ein sehr ausführlicher Bericht über bürokratische Hürden bei der Existenzgründung in Deutschland . Wir haben in unserem Fachgebiet auch öfters Anfragen von Gründern und ich habe wieder etwas dazugelernt , eines ist trotz der verschiednenen Brachnchen klar , auf unsere Bürokratie ist eben Verlass ob als Weinhändler oder als Fotograf .
    P.S. : Saarbrücken oder Saarluis ist letzes Jahr nach Bonn umgezogen wurden , hätten wir auch nicht mitbekommen wenn nicht Post von denen gekommen wäre , Tel . Nr : 022840612222 zur telefonischen Abfrage .
    Viele Grüße nach Berlin – Ralf Freywald

    • Lieber Ralf Freywald,
      danke für den Hinweis! Tröstlich zu wissen, daß es nicht nur bei uns so ist. Ich vertrete seit einigen Jahren den Wine and Spirit Education Trust (WSET) aus London in Deutschland. Dabei durfte ich Bekanntschaft mit britischen Behörden-Gepflogenheiten machen: auch nicht von Pappe! Die können das mindestens genauso gut wie die Unsrigen.