Wein auf Facebook – mehr Seiten, trotzdem wenig Wirkung

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„Ich muss da mal eine kleine Lanze brechen. …. Die Weinbranche und das web2.0 haben bereits zusammengefunden und ein Erfolg, wenn auch ein kleiner ist deutlich spürbar“ schrieb Dirk Würtz

Facebook Screenshot

Fans gefällt das, darüber sprechen schon weniger...

in der Diskussion auf Facebook über meinen Artikel zur Weinbranche und den Sozialen Netzen. Er erinnert an die Zeit, als sich so langsam herumsprach, dass man vielleicht eine Webseite haben sollte. Das habe ja damals auch seine Weile gebraucht.

Richtig. Richtig ist aber auch, dass schon damals die Schnellen die Weniger-Schnellen überholt haben und das Tempo seither immens zugenommen hat. Wer heute in Social Media startet und nicht gleich richtig Gas gibt, hat bald eine Ruine im Netz, an der in großen Lettern sein Name steht. Das ist nicht nur nicht wünschenswert, sondern schlecht fürs Geschäft. Diesen Punkt sollte man unbedingt bedenken, wenn man sich einen Einsteig in Blogging/Twitter/Facebook oder G+ überlegt.

Jede Menge Facebook-Ruinen

Gerade bei Facebook lassen sich jede Menge solcher Wein-Ruinen – sprich Facebook-Wein-Pages – bewundern. Mario Scheuermann hat sich die Mühe gemacht, einmal die deutschsprachigen Wein-Seiten auf Facebook aufzulisten. Das ist gar nicht so einfach: man muß sozusagen „zu Fuß“ unter Begriffen wie „Weingut“, „Weinhof“, „Winzergenossenschaft“ und so weiter suchen. Das Ergbnis entspricht Dirk Würtz Bemerkung: es gibt weitaus mehr als bisher angenommen! Scheuermann ermittelte fast 600 Seiten, statt der etwa 150 bis 200, von denen auch ich hier immer ausgegangen bin.

Geht man aber etwas ins Detail, relativiert sich die Zahl wieder: „Auf 500 oder mehr Fans bringen es nur 44 Seiten und auf 1.000 und mehr nur sechs. Erstaunlicherweise kommen die alle aus Österreich“ schreibt Scheuermann im DrinkTank. Fanzahlen sind nicht der Maßstab aller Dinge, meint Joachim Ott auf Beste Bioweine. Sind sie leider doch – denn auf Facebook ist die erste Voraussetzung für die Weiterverbreitung eine anständige Zahl von wirklich interessierten  (und nicht mit Gewinnspielen oder Ähnlichem geköderten) Fans.

Richtig ist, dass die Fanzahl nicht alles ist – das Wichtige sind die Fans, die mit der Seite interagieren. Die Fans, die liken, teilen, kommentieren. Facebook führt diese Fans unter der Rubrik „sprechen darüber„. Die Aktionen derjenigen, die „darüber sprechen“, werden viral weiterverbreitet – je mehr „darüber sprechen“, desto öfter werden die Inhalte auf den Profilen der Freunde der Freunde angezeigt.

Die Viralität der 17 deutschen Top-Pages (bis 500 Fans) liegt im Schnitt bei 2,3%, daß heißt 2,3% der Fans haben in der letzten Woche in irgendeiner Form auf das, was auf den Seiten passiert, reagiert.

Gibt das Thema nicht mehr her? Wir sagen doch immer, daß Wein von Emotionen lebt? Gut – da ist Verbesserungspotential: eine interessantere Präsentation, mehr Fragen, mehr Interaktionsangebote. Aber wir sind wieder bei dem Punkt: gute Inhalte alleine sind es nicht  – hier wirkt das Prinzip der großen Zahl. 2,3% von 10.200 sind eben mehr als 2,3% von 187. Ein kontinuierlicher Zustrom von guten, am Thema interessierten Fans beginnt ab ca. 1.000 Fans.

Marketing-Gedöns schreckt ab

Marketing Gedöns – da bin ich mit Joachim Ott einer Meinung – braucht niemand. Aber wenn man bei Facebook & Co einsteigt, dann bitte richtig. Aus vielen dort gestarteten Auftritten kann nichts werden: im mittleren und unteren Drittel von Scheuermanns Liste finden sich jede Menge solcher Fehlstarts. Das reicht von Seiten, bei denen es keinen Link zur Webseite des Weingutes gibt, keine Anfahrtskizze oder Lagekarte, bis hin zu Personen-Profilen oder Orten, mit denen keine Interaktionen möglich ist oder die Kommentarfunktion gesperrt ist. Andere haben ganze Romane auf die Info-Seite gestellt – aber wichtige Daten wie Adresse, Telefonnummer oder Ansprechpartner sind nicht zu finden.

Fans gewinnt und hält man mit interessanten Inhalten. Warum finden sich fast nirgendwo Veranstaltungen? Wo sind die Fotos vom Hoffest, der Arbeit im Weinberg oder Keller? Wo ist das Eintopf-Rezept von der Großmutter?

Oft hat man den Eindruck, ein Dialog sei nicht erwünscht – Facebook wird als Anzeigenfläche oder die berühmte große Tröte verstanden, mit der eine neue Füllung oder der Beginn des Herbstes angekündigt wird. Ein Posting im Vierteljahr oder pro Monat reicht nicht, um im Gespräch zu bleiben.

Und da bin ich wieder am gleichen Punkt wie in meinem letzten Artikel:  wer verstanden hat, dass der Dialog mit dem Kunden wichtig ist, muß sich um den richtigen Kanal und die richtige Technik bemühen.  Und dann sich dann genügend Zeit für das Gespräch nehmen. Dann wird etwas draus.

Relevanz und Ressourcen

Die beiden Stichworte heissen: Relevanz und Ressourcen. Erstens: wie wichtig ist das Gespräch via Facebook mit meinen Kunden oder Interessenten und Zweitens: wieviel Zeit kann ich dafür investieren. Ist es nicht wichtig oder habe ich keine Zeit – dann lasse ich es.

Ganz sicher kann man heute immer noch erfolgreich Wein verkaufen, ohne auf Facebook vertreten zu sein. Doch das wird sich ändern – nicht heute, aber ganz bestimmt morgen. Denn: für die bis 35 Jährigen gehören Soziale Medien zum Alltag – in 5 Jahren sind die ersten Digital Natives, die micht nur Email kennen,  40 Jahre und damit im besten Weintrinker-Alter.

8 Kommentare

  1. Die ‚Interaktion‘ scheint eine untergeordnete Rolle zu spielen, wie eine Untersuchung von Dan Zarella nahelegt. Mehr ‚Dialog‘ führt nich zu mehr ‚Impressions‘. http://www.ishpc.de/2012/01/12/social-media-mythen-auf-dem-prufstand-teil-1/

    • @Herbert Das trifft wohl auf Blogs zu, wie ich Zarella bei seinem letzten Seminar verstanden habe. Auf FB ist die Interaktion wichtig, weil sie den viralen Effekt bewirkt und zudem den Post öfter anzeigen läßt.

  2. @Michael, es hat mich auch überrascht. Aber wie Zarella in seinem hier http://www.ishpc.de/2012/01/12/social-media-mythen-auf-dem-prufstand-teil-1/ zitierten eBook ausführt, trifft es ausgerechnet auf Facebook zu. Er zeigt, dass es keine Korrelation zwischen Feedback und Impressions gibt.

  3. Web 2.0 macht nur dann Sinn, wenn es nicht als Konsumtempel verkommt (manche schreiben, alle lesen, aber kaum jemand tritt in einen wirklichen Dialog). Hauptproblem vieler Blogs ist, dass sich so manche Diskussion vom Blog nach FB verlagert. Da gilt es für den jeweiligen Blogger aktiv und aufmerksam zu sein, und den Dialog in die richtige Richtung zu lenken. Ich schreibe das hier, weil ich heute einen Gastbeitrag einer Social-Media-Verantwortlichen auf meinem Blog posten durfte, der genau dazu führte – viele Kommentare kamen in FB – und ich versuche sie auf das Blog zu führen, damit alle an der Diskussion teilnehmen können, die nicht in FB-Gruppen Mitglied sind.

    Huub

  4. Etwa 200.000 Personen, unter 35, geben bei Facebook an, dass sie Lust auf Wein usw. haben. Gut! Ich mache mir folgende Gedanken:

    Ich mag Camping, Wein, gutes Essen, Meer, Lesen …..

    Bin ich jetzt ein potentieller Kunde für Wohnwagenhandel, Campinplatzinhaber, Weinhändler, Weingüter, Feinkosthändler, Reisebüros, Buchhandlungen ……………..

    Mmmmh? :-(

    1. Wieviel Zeit wenden jene Nutzer täglich für Facebook auf?
    2. Bleibt langfristig das Interesse an dieser Art der Kommunikation erhalten?
    3. Mit zunehmendem Alter, kommen immer mehr Bekannte, Firmen… dazu!
    Möchte man mit allen vernetzt sein?
    4. Wieviele Newsletter bekommen sie schon per Email oder Post?
    5. Fühlen sich jene User nicht eher durch die Unternehmen belästigt?

    Selber stehe ich vor der Entscheidung mit dem Projekt SHW bei Facebook aktiv zu werden. 200.000 klingt viel, aber auf ganz Deutschland betrachtet und unter dem Gesichtspunkt, dass es in Deutschland mehrere Millionen Weintrinker gibt, ist es wirklich nicht viel!

    Jeder hat einige Interessen und kann in zig Netzwerken, Foren, Gruppen, Blogs sich anmelden, informieren und mit Freunden, Bekannten und Unbekannten Kontakt aufnehmen und sich austauschen. Aber eine Haken hat die ganze Vielfalt: man kann die einzelnen Kontakte und Netzwerke nicht ausreichend pflegen. Eigene Sichtweisen, Tipps ….. usw. weiterzugeben kostet viel Zeit! Wer ist bereit sie sich langfristig dafür Zeit zu nehmen?

    Eigentlich habe ich auch keine Zeit! Aber das Thema ist wichtig und daher wert, dass ich nicht nur lese, sondern auch mal schreibe! :-)

  5. Zum Problem Feedback und Impressions: Das ist bei FB tatsächlich nicht ideal, liegt aber u. a. auch daran, dass neue Kommentare nur bei dem aufscheinen, der den Beitrag gepostet oder bereits zuvor kommentiert hat. Bei G+ ist das deutlich besser gelöst, da alle Posts bei neuen Kommentaren für alle wieder im Stream nach oben rücken, d. h. in der Regel überhaupt erst wieder sichtbar werden. Wenn ich bei FB an einer Diskussion interessiert bin, ohne bereits kommentiert zu haben, finde ich die meist nur sehr schwer wieder bzw. muss direkt auf der Pinwand dessen nachschauen, der ursprünglich gepostet hat.

    Grundsätzlich: Viele, die bei den Social Media „aktiv“ sind, haben überhaupt nicht verstanden, warum das Social Media heißt. Sie betrachten die Sache immer noch aus der traditionellen 1:n-Perspektive (ich schreibe was und viele lesen). Social Media lebt dagegen vom n:n und das bedeutet, dass ich mich aktiv auch dort engagieren (diskutieren, kommentieren) muss, wo ich nicht selbst der Urheber bin. Bestes Beispiel für diese Haltung sind die vielen Firmenseiten bei FB UND bei G+. Bei FB ist diese Einbahnstraßen-Kommunikation im Konzept der Firmenseiten selbst angelegt (Like my page statt Freundschaftsanfrage), bei G+ ist sie nicht im Konzept angelegt, aber viele begreifen es trotzdem nicht. Man sieht das am Missverhältnis zwischen „in den Zirkeln von XY“ und „XY in den Zirkeln von anderen“.

  6. Gibt es denn außer Fans und Anzahl Weingutsseiten mittlerweile von den Aktiven auch Aussagen, die sich in Zahlen ausdrücken? Gibt es inzwischen Weinseiten, die durch Social Media messbar den Umsatz/Ertrag gesteigert haben? Von anderen Branchen habe ich das hier und da schon mal gelesen, aber noch nicht im Weinbereich. Wissen Sie darüber etwas?
    Cheers,
    Heike

    • Zahlen gibt es keine und selbst Dirk Würtz sagt, er habe über Social Media noch keine Flasche verkauft. Man kann dort Aufmerksamkeit und Vertrauen erwerben und dann versuchen, das zu monetarisieren.
      Insgesamt haben sich wohl viele Versuche (außerhalb der Weinbranche) mit Facebook-Shops oder SocialShopping Portalen als Flop herausgestellt. Infos dazu bei Jürgen Krisch http://www.excitingcommerce.de