Auf dem Boden

Wer bloggt ist Blogger – eine Momentaufnahme der Weinblog-Szene

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Alles in Ordung, in der deutschen Weinblog-Szene – man ist mit sich zufrieden – so könnte das Fazit einer Facebook Diskussion lauten, die eher zufällig aus einigen Kommentaren zu meinem Blog-Artikel von gestern entstand. Mit 126 Beiträgen (Stand 30.10.) ist das einer der umfangreichsten Threads der letzten Jahre zum Thema Weinblogging. Fast alle bekannten Blogger beteiligten sich an der Diskussion, die so zu einer Monemtaufnahme der aktuellen Situation der Szene wird.

Auf dem Boden

Bodenständig – Weinblogs sind Alltag geworden foto:mpleitgen

Wie relvant sind Weinblogs?

Thomas Günther von weinverkostungen.de meint, Blogs würden von deutschen Endverbrauchern bis hin zu Weinfreaks wahrgenommen. Dirk Würtz sieht in den stetig weiter wachsenden Zahlen seines Blogs einen Beleg dafür, daß Themen wie „Weinkönigin“ durchaus ankommen und gelesen werden. Auch Michael Liebert von Weintipps sieht sein Blog weiter wachsen.

Weitgehend einig ist man sich in der Frage, daß eine internationale Wahrnehmung nicht so wichtig ist. „Relevanz ergibt sich durch Authentizität, fachlicher Eignung und Menschlichkeit“ schreibt Würtz in einem Beitrag. Und Manfred Klimek von Cptn Cork meint, das Wichtigste bleibt, unter den größten im nationalen Markt zu sein.

Die Frage, wie relevant Weinblogs als solche sind, stellt sich für die meisten Blogger nicht mehr. Für sie heißt die Frage eher, wie relevant ist mein Blog für meine Leser? Anders als in den Diskussionen in den Anfangszeiten 2008/09 ist die Szene selbstbewußter geworden und fühlt sich ausreichend wahrgenommen.

Wer ist Weinblogger?

Blogger ist wer bloggt – diese Feststellung von Mario Scheuermann will man so nicht stehen lassen. Würtz möchte zwar ausdrücklich nicht zwischen „wahren“ und „anderen“ Bloggern trennen, gewaltige Unterschiede gibt es seiner Meinung nach doch. Würtz steht damit nicht alleine.

Frage ist, wo soll man den Unterschied machen: ob man ihn jetzt an der Ausbildung  festmachen will, wie Eckhard Supp von ENO WorldWine, oder wie andere an der „Gewinnerzielungsabsicht“. Der eine möchte zwischen Hobbybloggern und Profibloggern trennen, Philipp Erik Breitenfeld von Gazetta del Vino möchte es noch differenzierter: in Journalisten, Auftragnehmer der Weinindustrie, Winzer und eben Hobby- oder Amateurblogger – als den er sich selbst im Unterschied von anderen sieht.

Geld verdienen mit Bloggen

Ganz so heftig wie in den Anfangszeiten wird um dieses Thema nicht mehr gestritten – klar ist aber auch, worum es bei diesen manchmal spitzfindigen Unterscheidungen immer noch geht: ums Geldverdienen – mit Bloggen Geld zu verdienen gilt immer noch nicht als ganz fein. Unterschwellig scheint mitzuschwingen, wer Geld nimmt oder sonstwie Reisen oder Einladungen akzeptiert, ist nicht unabhängig.

Breitenfeld meint dann auch ohne Namen zu nennen, es sei schon erstaunlich, wer „alles so für Lohn Hofberichterstatter ist“. Und Würtz besteht darauf, daß seine Weinschule beim Stern „keine Vermarktungsschiene“ ist.

Im Grunde scheint das Thema aber „durch“ zu sein – jeder ist darauf angewiesen, sein Blog in irgendeiner Weise zu finanzieren.

Blogs, Public Relations und Werbung

Ein sehr interessanter und ausführlicher Beitrag kommt von Petra Mayer von pmkommuikation, die in Deutschland für Südafrikas Weine die Öffentlichkeitsarbeit macht. Humorig umreißt sie, auf welcher Basis eine Zusammenarbeit mit Bloggern zustande kommen kann:  Content, Aufmerksamkeit, Fleiß und gute Kinderstube sind Voraussetzung.

An anderer Stelle rät sie aber auch, die eigene Bedeutung nicht zu überschätzen: Tageszeitungen mit ihren hohen Auflagen seinen gerade in der Breite immer noch sehr wichtig – auch wenn hinterher als Reaktion vielleicht „nur“ eine 2,99 € Flasche gekauft wird.

Berichte oder Verkostungsnotizen über Weine im Einstiegsbereich sind kein Thema für Blogger meint Thomas Günther, der es mit preiswerten Weinen versucht hat. Brunello und Champagner erfahren bei den Lesern deutlich mehr Aufmerksamkeit, auch GG Verkostungen seien echte „Quotenbringer“, so Würtz.

Kristin Unruh von Agence à la carte, die im Netz und auf Facebook unter anderen für die Winzer von Vinergie und Rubensapfel unterwegs ist, weist darauf hin, daß es „oft einfach auch nur vom Thema und Budget des Kunden abhängt, ob Blogger eingeladen werden“.

Helmut O. Knall von Wine-Times meint, die Anforderungen von Seiten der PR-Leute seien doch recht hart: “ Jeder erwartet, dass wir immer und ewig gratis schreiben, nur weil wir auf eine Pressereise eingeladen werden. Sorry – wer zahlt denn unsere Arbeitszeit?“

Internationale Vernetzung und Zweisprachigkeit

Manche Blogger haben internationale Kontakte – aber eher auf persönlicher Ebene, wie Thomas Günther in einem Kommentar schreibt.

Institutionalisierte Kontakte wie bei der European Wine Blogger Conference (EWBC) werden eher kritisch gesehen: „eine Truppe.., die sich da ein paar ordentliche Sponsoren angelacht haben und sich mit dem Treffen eine goldene Nase verdienen“ so Knall in einem Kommentar auf dem Weinakademie Berlin Blog. Die Leute, die sich dort treffen, seien nicht unbedingt die ganz wichtigen, meinen unisono Knall und Günther. Auch Würtz meint, es gebe Wichtigeres, als zu einem Treffen nach Izmir zu fahren.

Ob man seine Texte auch auf English oder in einer anderen Sprache veröffentlichen soll – bei diesem Thema gehen die Meinungen auseinander. Klimek meint, die nationale Reichweite ist interessant und muss groß sein, die internationale Reichweite ist uninteressant; außer sie ist riesig. Würtz kann sich das zumindest vorstellen – aber wirklich wichtig scheint es für niemanden zu sein.

Ganz pragmatisch schlagen Stefan Englert und Helmut O. Knall vor, ein Übersetzungstool in die Texte mit einzubauen – ganz perfekt sei das nicht, reiche aber für die wenigen internationalen Leser vollkommen aus.

Da haben wir es wieder einmal – meint Thorsten Kogge “ the actors in the respective market are basically producing and reproducing their own niche“.

Reizworte wirken immer noch

Das „Billigwein“ und „Wein vom Discounter“ immer noch wirken, zeigen in der Diskussion einige Beiträge von Klaus Ruckmich und anderen – das scheinen uralte Reflexe zu sein.

Aber auch hier ist ein Wandel zu beobachten: flammt heute das Thema nur noch kurz auf, hätten die gleichen Reizworte vor ein paar Jahren noch gereicht, um tagelange heftige Auseinandersetzungen auszulösen!

Die Szene hat sich weiterentwickelt, hat zu einem Selbstverständnis und auch zu einem abgeklärteren Diskussionsstil gefunden. Insofern: Bloggen ist Alltag geworden, in der deutschen Wein-Szene – auch wenn es mittlerweile weitgehend von Profis erledigt wird – egal ob sie nun so genannt werden wollen oder nicht.

8 Kommentare

  1. vielen Dank Michael W. Pleitgen, dass Sie hier in Sachen „Reizworte“ nochmals das Thema Billigwein bzw. Discounterwein erwähnen. In einem meiner letzten Artikel die ich dem Thema gewidmet habe, berichtete ich über die Möglichkeit durch Rebenerziehung – Minimalschnitt (Thema der Rubrik Weinbau) der in Australien erfunden und seit den 70er Jahren dort erfolgreich betrieben wird, sich Gedanken zu machen ob es nicht auch zu einem Modell werden könnte für deutsche Winzer. Diese Methode führt zum einen zu einer 90% Arbeitserleichterung, immensen Zeit-und Kosteneinsparung, dieses könnte somit ein Winzer wiederum über den Preis günstiger weitergeben. Vorteil: Man muss nicht unbedingt alle Parzellen auf diese Methode umstellen, diese Variante ist schon lange erprobt und der Winzer könnte eventuell dem Weinkonsument der vielleicht bisher nur die Discounterweine gekauft hat, zu sich auf das Weingut holen. Der Konsument bekommt eine Qualität, die weitaus besser ist als vom Discounter. Wäre vielleicht auch eine Zusatzmöglichkeit für den Fachhandel, dem Discounter die Stirn zu bieten. Im allgemeinen ist es zu beobachten, das es einigen Winzern nicht gerade glänzend geht, die Gastronomie hat aufgehört zu boomen, statt kartonweise werden auch nur noch Einzelflaschen von den Gastronomen gekauft, das sind die Dinge die ich hier im Markgräflerland so mitbekomme. Somit denke ich, wenn man neue Möglichkeiten für ein zusätzliches Geschäftsmodell nicht ins Auge fasst, dann hat man als Winzer sicher bald ganz verloren, wir sind in einem ständigen Wandel und da gilt es eben auch innovativ zu handeln. Vielleicht könnte man dieses Thema irgendwie nochmals in einem größeren Rahmen behandeln (Marktchancen). Zum Ende hin sei es noch zu erwähnen, das ich kein Verfechter der Discounterweine bin, ich habe schon einige verkostet mit dem Ergebniss das ich diese für qualikativ „nicht ausreichend“ halte, ja sogar im Preis zu hoch beispielsweise die „Keller Kollektion“ was aber wiederum auch von Philipp Erik Breitenfeld so gesehen wird. Was Cordula Eich betrifft, sehe ich das Sie trotz allem eine gute Arbeit leistet, nach Ihren Möglichkeiten dem Normalo Weinkonsumenten Wein näherzubringen, dennoch wäre ich eher dafür Möglichkeiten auszubauen um bessere Qualität für jedermann zu erzeugen gerade für den kleinen Geldbeutel. Das Thema Minimalschnitt gab mir hierzu einen neuen Anstoss, über sowas mal nachzudenken.

  2. Ich suche meine Meinung in diesem Beitrag leider vergeblich. Hier noch einmal kurz zusammengefasst: Als „Hobby-Blogger“ verdiene ich mit Drunkenmonday keinen Cent, und nehme deswegen mir die Freiheuit heraus, darüber zu bloggen, was ich für interessant und nicht zu sehr ausgelutscht halte. Lieber 10 Leser weniger wenn ich über eine 20€ Flasche berichte, als der 10te zu sein der über 2,99€ Aldi Aktion X schreibt.

    • Danke Nico Medenbach für die Ergänzung! Ich will das Thema nicht vertiefen – aber wenn man auf der einen Seite mit Wein sein Geld verdient und andereseits zum Thema bloggt, (ohne vielleicht damit direkt Geld zu verdienen) ist man doch ein Profi-Wein-Blogger, oder? Sonst wäre ich auch keiner…

  3. Ich finde die Diskussion ist sehr gut und spannend gelaufen. Es gab in den vergangenen Jahren sichtbare Lernprozesse in der Diskussionskultur. Den Ansatz von Nico finde ich sehr wichtig. Zugleich hat er aus meiner Sicht wesentlich mehr Wissen über Wein als mancher, der professionell damit sein Geld verdient. Auch die Gegenüberstellung mit der zitierten Position von Helmut finde ich sehr intressant.

    Unabhängigkeit heißt für mich eben auch in der Zusammenarbeit mit anderen Akteuren auf dem Weinmarkt abzuwägen, wie man für beide Seiten eine Win-Win-Situation schafft ohne dabei den Leser zu benachteiligen, sondern für diesen einen Vorteil schafft. Das geht in einigen Fällen. Jedenfalls sind viele meiner Texte der Versuch einer solchen Anstrengung. Und eins hab ich mit Nico tatsächlich gemein: Geld verdiene ich mit dem Blog nicht. Der einzig relevante Posten sind die Ausschüttungen von VG Wort. Und diese Gesellschaft ist von der Weinindustrie vollkommen unabhängig.

  4. Bei uns in Österreich gibts nicht einmal VG-Wort ;-)

    Danke für die gute Zusammenfassung.

  5. @Michael, sicher, wer in der Branche arbeitet, sein Lebensunterhalt mit Wein verdient und dazu noch darüber bloggt (ohne Vergütung), sollte nicht als Hobby-Blogger bezeichnet werden.

    Ich für meinen Teil bin aber in einer völlig anderen Branche tätig und habe mein Wissen und Halbwissen über Wein mühsam ertrunken/erkauft/erlesen, welches regelmäßig über Drunkenmonday verbreitet wird.

    Und Thomas hat voll und ganz recht, dass man als Blogger durchaus mehr Weinwissen ansammeln kann wie ein Branchen-Interner. Das habe ich viele Male (gerade beim Weinkauf!) erlebt. Teilweise erschreckend mit welchen Wissenständen dort Wein an den Mann/Frau gebracht wird. Aber das ist wieder ein anderes Thema…

  6. Ich finde es interessant, dass das Thema „Geldverdienen“ für Wein-Blogger immer noch einen gewissen Makel hat. Wenn ein Hobby-Blogger seinen zeitlichen und finanziellen Aufwand mit Kooperationen zu decken sucht, ist das in meinen Augen OK. Sicherlich, dadurch kann auch schnell der Eindruck der Abhängigkeit entstehen, andererseits lohnen sich diese Kooperationen doch tatsächlich nur bei bekannten Bloggern mit erheblicher Reichweite. Und die werden doch sicherlich nicht Ihre Reputation aufs Spiel setzen wollen.

    Somit entsteht hier doch tatsächlich ein Mehrwert für den Leser und das kann für alle Beteiligten nur gut sein.

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