Der neue Weg zum Kunden – Exzellente Kundenerlebnisse

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„Exzellente Kundenerlebnisse“ – unter diesem Motto stand der 9. Heilbronner Weinmarketingtag an der Hochschule Heilbronn. Etwa 200 Fachbesucher  aus der Branche waren der Einladung von Initiatorin Prof. Dr. Ruth Fleuchaus und den Studierenden der Weinbetriebswirtschaft in die Aula am Bildungscampus gefolgt.

Referenten beim Weinmarketingtag in Heilbronn

Referenten beim Weinmarketingtag in Heilbronn oben Gero Becker, Prof. Axel Dreyer, mitte rechts Romana Echensperger, unten Manuela Rehn und Alexander Borwitzky Foto: Michael Pleitgen

„Der Kunde ist heute sehr anspruchsvoll. Im Dschungel der analogen und digitalen Welt will er optimal bedient sein. Und seine Erwartungen sind hoch“ so Prof. Fleuchaus in ihrer Einleitung. „Auf der Reise durch den Dschungel all der vielen Angebote gilt es, Eindrücke im Kopf des Kunden zu hinterlassen, die nachhaltig sind. Wer die sogenannten touchpoints, die Berührungspunkte mit dem Kunden optimal bedient, hat Aussicht auf Erfolg. Dabei geht es heute mehr denn je um die Erlebnisse um das Produkt; die gute Qualität des Produktes vorausgesetzt. Diese erlebnisschaffenden Berührungspunkte müssen wohl durchdacht und strategisch geplant sein.“

Kunden denken nicht mehr in Einkaufskanälen

Gero Becker vom Institut für Handelsforschung in Köln machte klar, dass die Kunden nicht mehr in Einkaufskanälen denken sondern in optimaler Bedienung entlang der Einkaufsreise. Kanalübergreifende Services müssen Mehrwerte bieten und die Kunden auf ihrer Customer Journey abholen. Er zeigte Beispiele für die rasanten Veränderungen im Handel – auch im Weinhandel. Stichworte: Wine in Black, Rindchen oder Jacques‘ Wein-Depot.

Ebay wirbt um Direktvermarkter und Wein-Händler

Lara von Tippelskirch-Lauk, Senior Managerin bei ebay Deutschland, stellte das im Februar gelaunchte Weinportal von ebay vor. Ebay hat die Weinwelt als Wachstumsmarkt entdeckt und als strategisches Ziel die Erzeuger und Händler von Wein im Visier. Von daher engagiere man sich mit einem eigenen Portal, Sommelier-Expertise und Content zum Thema Wein. Ebay biete mit einer Reichweite von 17 Mio aktiven Käufern die ideale Handelsplattform im Netz „in digitaler A-Lage“ für Wein-Erzeuger und -Händler. Das derzeitige Angebot umfaßt 47.000 Weine. Alle 15 sec werde in Deutschland eine Flasche Wein bei ebay gekauft! In der Diskussion zeigte sich: den meisten Tagungs-Teilnehmern schien Ebay nur als Flohmarkt für Haushaltsauflösungen und Entrümpelungen bekannt zu sein.

Berühren statt informieren

Die Weinbranche, die so sehr an ihren produktbezogen Wertinformationen hängt, müsse umdenken und lernen gute und beeindruckende Geschichten zu erzählen, appellierte Manuela Rehn, geschäftsführende Gesellschafterin der Grüne Köpfe Strategieberatung in Berlin. Erfolgreich sei, wer es schaffe, Sehnsuchtsräume zu besetzen, und wem es gelinge, Menschen zu berühren, statt nur zu informieren. Der Wertewandel zeige sich zu zeit nirgends so wie beim Essen – Zitat Nestle Studie 2030: „Die Ernährung ist zum Ausweis der eigenen Werte, und damit des sozialen Status geworden. Es zählt nicht mehr so sehr was auf dem Teller liegt, sondern wie es dort hingekommen ist.“ Das sei quasi eine Steilvorlage für die Branche, hier ergäben sich jede Menge Ansätze für interessante und nachhaltige Stories. Manuela Rehn zeigte das am Beispiel ihres kleinen experimentellen Szene-Food-Ladens „Vom Einfachen das Gute“ in Berlin Mitte.

Geschichten und Erlebnisse

In die gleiche Richtung ging der Vortrag von Prof. Axel Dreyer der Hochschule Harz. Der ausgewiesene Experte des Weintourismus kann durch viele Studien belegen, was wirklich zählt für die Touristen, die auf den Hof eines Weingutes kommen. Die Branche weigert sich immer noch zu akzeptieren, dass nicht die Weinqualität sondern die Erlebnisse drum herum Bilder im Kopf der potentiellen Kunden entstehen lassen, die hängen bleiben und eine Verbindung zum Betrieb herstellen. Je nachhaltig positiver das Erlebnis, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass aus einem Weintouristen ein echter Kunde wird.

Auch Romana Echensperger MW appellierte, die vielen Geschichten, die uns in der Weinwelt zur Verfügung stehen, zu nutzen. Wein sei immer noch ein Kulturgut – auch wenn manchmal nicht so aussähe – zum Beispiel beim Discounter. Auf der anderen Seite warnte sie vor Überforderung der Kunden durch Expertenwissen. Statt die Menschen mit den wunderbaren Geschichten rund um den Wein zu umgarnen, strapazierten wir die Kunden und führten sie zu negativen Erlebnissen. Da sei zum Beispiel die Angst, sich zu blamieren, weil man keine Ahnung von Wein habe. Das Ergebnis sei dann Überforderung statt Begeisterung bei den Kunden.

Aus stationär pur wird omnichannel – digitaler Umbau bei Jacques‘

Ob online oder offline; der Kunde müsse an den unterschiedlichsten Stellen abgeholt werden, bestätigte zum Abschluss des Tages auch Alexander Borwitzky, Geschäftsführer von Jacques‘ Wein-Depot und Vorstandsmitglied der Hawesko Holding. Die Positionierung des Weinfilialisten „Probieren wie beim Winzer“ hat sich in diesem Sinne zu „Wein ganz persönlich“ entwickelt. Sie findet auch heute noch in den mittlerweile 300 Wein Depots von Jacques´ statt – dort können nach wie vor alle Weine probiert werden. Allerdings von einem wachsenden Online-Handel und ausgeklügeltem Marketing begleitet. So finden laut Borwitzky überraschende 90 % der gesamten Einkäufe (Umsatz 146 MEuro in 2016) über die Jacques‘-Kundenkarte statt.

In ausgefeilter Systematik schafft es Jacques‘ die Kunden an jedem Ort abzuholen, an der er eben bereit ist Wein zu kaufen; im Depot, im Wohnzimmer oder auf der Straße. Mobile first – das Credo der Neuzeit, wurde von Borwitzky eindrucksvoll vorgeführt. Wer nicht im Smartphone vorkommt, der hat heute schon verloren. Ein Klick und das nächste Jaques´ Depot wird angezeigt mit Routenempfehlung, Öffnungszeiten und vielem mehr. Eben allem, was der willige Weinkäufer braucht, um seinen Kauf auch abschließen zu können. Wer will, kann natürlich auch problemlos direkt online bestellen.

Zum Abschluß bedankte sich Prof. Fleuchaus bei den Akteuren vor und hinter der Bühne – vor allem bei den Studierenden der Weinbetriebswirtschaft, die diesen Tag organisiert hatten. „Wir haben so viele positive Rückmeldungen von den Teilnehmern erhalten, dass der Ansporn im nächsten Jahr wieder ein so interessantes Thema zu finden, sehr groß ist“ sagte sie.

Der 10. Heilbronner Weinmarketingtag findet am 19. April 2018 statt.

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