Food 2.0 bei der CEBIT – Spezialisten auf dem Vormarsch

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E-Commerce hat viele Facetten – welche Rolle spielen Spezial-Logistik, Direktvertrieb und social marketplace? Das war die Frage bei der Talkrunde Food 2.0 bei der CEBIT am vergangenen Samstag. Als Gäste waren Dominik Mühl von supermarkt.de, Alexander Ultes vom Weingut Kiefer und Paul Truszkowski von Wine in Black mit dabei.

Gäste mit Moderator Dominik Mühl, Michael Pleitgen, Paul Truszkowski, Alexander Ultes

Gäste mit Moderator Dominik Mühl, Michael Pleitgen, Paul Truszkowski, Alexander Ultes

Supermarkt.de ist 2011 gestartet.  „Kein Schlangestehen, kein Schleppen, kein Stress“ steht auf der Begrüßungsseite der Hamburger. Es gebe genug Leute, denen Einkaufen keinen Spaß mache oder die einfach keine Zeit hätten, sagte Mühl. Interessanterweise seien das nicht, wie oft vermutet, beruflich eingespannte, gut verdienende Single-Männer, sondern auffallend viele Frauen mit Kindern. Man sehe das an der Zusammenstellung der Warenkörbe. Frauen seien im Haushalt nach wie vor fürs Einkaufen zuständig. Überhaupt geht Mühl davon aus, zukünftig einen Querschnitt aller Käufertypen und Haushalte als Kunden zu sehen.

supermarkt.de

Das besondere an supermarkt.de ist, dass aus einem eigenen Lager mit einem supermarkt-typischen Sortiment heraus mit eigenem Kühldienst geliefert wird. Hier sieht Mühl eines der Alleinstellungsmerkmale seiner Firma, da könne selbst Amazon nicht mit. Man habe den gesamten Prozeß von der Bestellung bis zur Auslieferung in der Hand. Die Spezial-Logistik erfordere hohe Investitionen und Know How, man grenze sich aber damit deutlich vom restlichen Online-Wettbewerb ab. Ein interessantes Interview mit Mühl zu Markt, Chancen und Risiken findet sich auf dem e-tailment blog.

Online den Wocheneinkauf zu erledigen ist Teil der Einzelhandelszukunft. LeShop (Migros) und coop@home (coop) könnten mit ihren Online-Food Auslieferungen eine Stadt wie Bern ganzjährig versorgen – Online macht in der Schweiz etwa 3% des Lebensmittel-Einkaufsvolumens aus. Deshalb testen bei uns auch die Big-Player, allen voran Kaisers-Tengelmann zur Zeit in Berlin und München, sowie die REWE in Hamburg und Frankfurt. Regional tätig ist in Münster und im Ruhrgebiet froodies, die in Kooperation mit selbstständigen Lebensmittelhändlern arbeiten. Auch für Deutschland sieht Mühl langfristig 3 – 4 % der Lebensmittel online.

Knackpunkt ist für Mühl die Logistik, deshalb sieht er als zukünftige Wettbewerber auch nicht die Marketer wie Amazon, sondern die großen Logistiker wie DHL , die sich ein Stück vom Kuchen abschneiden wollen, wenn die Tests erfolgreich sind.

Weingut Kiefer stellt die Menschen in den Vordergrund

Das Weingut Kiefer kann man sicher nicht als Startup bezeichnen. Es wurde 1851 gegründet und gehört mit über 100ha Fläche zu den zehn größten in Deutschland. Trotzdem gab es in den letzten beiden Jahren einen Neu-Start: mit neuen Weinen, neuem Marketing und neuem Vertrieb. Das macht sich auch online bemerkbar – die neu gestaltete Website ist Dreh- und Angelpunkt. Hier begegnet man auch der Philosophie Weingutes: die Menschen stehen im Mittelpunkt. So wird die gesamte Mann- und Frauschaft von den Inhabern bis hin zum Azubi mit ausführlichen Portraits vorgestellt.

Auch auf Facebook stehen die Personen im Vordergrund. Beim Verkaufen gehe es immer um die Menschen, meint Alexander Ultes der den gesamten Vertrieb und auch die FB page betreut. FB sei ein junges Medium und für die dort angesprochenen potentiellen Kunden habe man zuerst einmal die richtigen Weine gebraucht. „Mit den Wolcken ziehen“, „Schmetterlinge im Bauch“ und „Über Grenzen gehen“ heißen folgerichtig die Weine aus der Serie Kiefers Junge Poeten.

Wie verträgt sich die Direktansprache der Kunden via Social Media, wenn der Vertrieb fast 100% über den Handel läuft? Ultes sieht kein Problem: es sei nicht erstes Ziel Kunden für den eignen Shop zu gewinnen, sondern das Weingut, seine Philosophie und die Weine vorzustellen und vor allem mit den Kunden in den Dialog zu kommen. Das schaffe zum einen Bindung an das Weingut, aber auch Nachfrage bei den Handelspartnern.

Exklusiver Wein Shopping-Club

Ganz anders funktioniert Wine in Black. Der Wein-Shopping-Club wurde 2011 von Absoventer der WHU in Vallendar gegründet. Die Idee ist nicht ganz neu: warum sollte nicht etwas wie brands4friends oder venteprive auch für Wein funktionieren?  Beim Wein kann es etwas entschleunigter zugehen als bei Textilien – die Auktionen bleiben aussenvor, aber der Schnäppchen-Instinkt wird angesprochen. Vor allem muß es beim Wein exklusiver zugehen. So ist das Motto dann auch, den „Mitgliedern einer exklusiven Gemeinschaft Zugang zu weltweit ausgezeichneten Premium-Weinen zu unschlagbar günstigen Preisen zu bieten“.

Richtig Fahrt aufnehmen dürfte Wine in Black nachdem es 2012 unter die Fittiche von A-Ventures in Berlin gekommen ist und genauso wie der Marktplatz Vicampo, der von den gleichen Gründern betrieben wird, vom Venture-Geld der Otto-Group partizipert, die sich frühzeitig in erfolgversprechende Konzepte einkaufen möchte.

Das Exklusive soll auch nach der Umsiedlung von Mainz nach Berlin bestehen bleiben, sagte Paul Truszkowski als Geisenheimer für das Wein Know How des Startup-Unternehmens zuständig. Man brauche zwar neue Kunden, wolle aber die Exklusivität wahren. So gebe es zwar einen Zugang über Facebook, denkönne man jederzeit wieder schliessen. Die besten Kunden kämen über das Empfehlungsmarketing  – anfangs sei Wine in Black über die Netzwerke großer Unternehmensberatungsfirmen bekannt gemacht und weiterempfohlen worden. Man könne durchaus von einer Viralität sprechen.

Einstweilen ist Wine in Black durch extreme Preise bei bekannten, quasi vorverkauften Weinen aufgefallen. Man habe aber auch schon erfolgreich unbekannte Weine unter der Rubrick „Geheimtipps – direkt vom Winzer“ verkauft. Hätten die Kunden einmal Vertrauen gefaßt, seien sehr schöne Aktionen ohne den geringsten Verdacht auf Preisverhau möglich. Im Gegenteil, Wine in Black eigne sich gut junge Winzer zu promoten und zu Geheimtipps zu machen, so Truszkowski in Hannover.

Im Gegensatz zum klassischen Shop à la HAWESKO oder VINEXUS bietet Wine in Black nur ein extrem schmales Sortiment – ein Wiederkauf der Weine ist über die Webseite nicht möglich. Per Email ist man jeden zweiten Tag mit einem Wein oder einem Paket bei den Kunden. Die Weine werden nachdem die Bestellungen vorliegen entweder direkt vom Winzer oder vom Unternehmen ausgeliefert – die Vor-Fianzierung und  Logistik werden schlank gehalten – hier liegen ja auch die größten Risiken. Es finden sich viele Werzeuge aus dem Repertoire der Direktvermarkter.

Amazon und Food 2.0

Food 2.0 bleibt spannend – jeden Tag kommen neue Unternehmen hinzu oder werden neue Modelle getestet. Was bedeutet der Einstieg von Amazon in das Weingeschäft? Seit einigen Monaten kauft Amazon selbst ein und steigt jetzt aktiv in das Marketing ein – siehe das Würtz-Paket in der Woche nach der Prowein – heißt das adé Marktplatz für Weinanbieter?

Ultes und Truszkowski waren sich einig, daß Amazon den Markt für Wein online weiter öffnen wird – auch zukünftig werde es ein Nebeneinander von Amazon-eigenen Artikeln und dem Marktplatz geben. Wein sei da nichts Besonderes – auch bei anderen Artikelgruppen gebe es das Nebeneinander. Nur so könne Amazon auch der größte Anbieter werden beziehungsweise bleiben. Klar sei auch, dass die Anforderungen im Marketing wieder etwas nach oben geschraubt würden – Spezialisten hätten aber wie beim Food weiterhin gute Chancen.

In diesem Sinne gibt es sicher auch weiter Platz für Weinfachhändler, wenn sie denn aufwachen und sich nicht einfach in die Zange nehmen lassen.

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