Ist er nicht süss – unser Weinhändler?!

| 5.661 mal gelesen |

Prosecco auf dem Balkon

...immer noch einer der Haupt-Umsatzträger foto:slettvet/flickr

Er ist neugierig – auf seine Kunden. Er läßt gerne probieren. Keine noch so „blöde“ Frage kann ihn erschüttern. Er ist kein Schwätzer. Er kocht gern. Er unternimmt gern ausgedehnte Reisen, bei denen er die Winzer besucht und ausgiebig mit deren Töchtern flirtet. Er hat sich spezialisiert – vielleicht auf Italien, Spanien oder Frankreich. Er hat die guten und günstigen Weine deutlich unter 10 Euro. Auf jeden Fall rümpft er die Nase, wenn er das Wort „Großhändler“ hört .

So oder so ähnlich stellt sich Renate Frank von essen&trinken den idealen Weinhändler vor (e&t 5/2011). Das muß dann wohl jemand sein, der von seinen Eltern geerbt hat oder vom Lehrerinnen-Gehalt seiner Ehefrau lebt – auf jeden Fall gehört er zu einer aussterbenden Spezies.

Von den 960 Millionen Euro, die es im Fachhandelssegment zu verdienen gibt, machen allein die Top 10 der Branche fast 60%. Darunter sind die WIV unter anderem mit den VINO Märkten, HAWESKO mit seinem Versand und den Jacques‘ Depots, aber auch Vom Fass, Mövenpick und Rindchens Weinkontor. Der Kleinste der der Top 10 macht gerade noch 3,8 Mio Umsatz pro Jahr. Der Rest von etwa 400 Mio Euro verteilt sich auf geschätzte 1.500 Adressen bundesweit. Rein rechnerisch sind das 266.666 Euro Umsatz für einen Laden.

Das ist zum Leben zuwenig, aber zum Sterben zuviel. Selbst ein Umsatz, der das Doppelte beträgt, alo bei einer halben Million liegt, wie es bei den guten Fachhändlern der Fall sein sollte, erlaubt noch keine großen Sprünge.

Bei solch einem Umsatz kann man sich keine 4 Wochen Urlaub im Jahr gönnen.  Reisen kosten Geld – zu den eigenen Ausgaben kommt noch das Gehalt für die Vertretung. Deshalb stehen die meisten Händler von Montag bis Samstag, das ganze liebe Jahr lang selbst in ihrem Laden. Höflichkeit kostet nichts – aber Höflichkeit verträgt sich nicht mit dem Druck, dem die meisten ausgesetzt sind. Schöne Worte kosten auch nichts – aber eine gute Beratung kostet Geld, da es dafür gute Leute braucht und die gibt es eben nicht umsonst.

Auch wer heute versucht, ausgefallene Weine anzubieten, merkt doch, dass er auf Salice Salentino, Prosecco, den Haus-Riesling  oder den Billig-Tinto aus La Mancha nicht verzichten kann. Das sind nämlich immer noch die Schnelldreher. Und die gibts zu wohlfeilen Konditionen beim Größhändler.  Die Realität dürfte also in den meisten Fällen vollkommen anders aussehen, als sich das die Weinhandels-Romantiker vorstellen.

Kommentare sind geschlossen.