ohne Schwefel - Gerard Bertrand NATURAE von Jacques' Wein-Depot foto:mpleitgen

„Ohne“ heißt das Zauberwort

| 9.780 mal gelesen |

„Ohne“ heißt das nicht mehr ganz neue Zauberwort. Ohne Farbstoffe, ohne Konservierungsstoffe, ohne künstliche Aromen, ohne geschmacksverstärkende Zusatzstoffe – ist auf den Etiketten von immer mehr Lebensmitteln zu lesen. „Ohne Schwefel“ heißt das Pendant beim Wein.

ohne Schwefel - Gerard Bertrand NATURAE von Jacques' Wein-Depot foto:mpleitgen

ohne Schwefel – Gerard Bertrand NATURAE bei  Jacques‘ Wein-Depot foto:mpleitgen

Umstrittene Clean Labels

Die andere Variante lautet „frei von“ – Lactose, Gluten, Salz, Zucker oder Genen. Auch wenn bisher nur wenige Verbraucher wissen, dass „zuckerfrei“ nicht ganz ohne Zucker bedeuten muss oder ein Produkt „ohne geschmacksverstärkende Zusatzstoffe“ sehr wohl geschmacksverstärkende „Zusätze“ im Sinne des Gesetzes enthalten kann, werden die umstrittenen „Clean Labels“ mehr und mehr zum Standard. Der „Etikettenwahnsinn„, wie ihn Udo Pollmer unlängst in seiner DR-Radiokolumne „Mahlzeit“ bezeichnete, wird eher zu- als abnehmen.

Die Ursache liegt in den Ernährungstrends, denen natürlich auch die Industrie hinterherarbeitet. Die drei großen, aktuellen Gesellschaftstrends, die eine herausragende Rolle in der Ernährung spielen, sind „Convenience“, „Genuss/Premium“ und „Gesundheit/Wellness/Fitness“. Sie bestimmen auch maßgeblich die Entwicklung von Lebensmittel-Innovationen für die Regale des Lebensmittelhandels,  stellt eine Studie der Fraunhofer Gesellschaft im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung fest.

Zunehmendes Gesundheitsbewußtsein

Vor allem das Gesundheitsbewußtsein dürfte der Treiber bei den „ohne“ und „frei von“ Etiketten sein. Die Nestle-Studie hatte bereits 2009 festgestellt, daß 72 Prozent der Verbraucher über alle Altergruppen hinweg „einen Zusammenhang zwischen ihrer Ernährung und ihrer physischen Befindlichkeit“ sehen. Bei 29 Prozent sei dieses Bewußtsein sehr ausgeprägt, stellte die Studie damals fest.

Auch die Fortsetzung der Studie 2011 bestätigte diesen Trend. Dazu kommt ein steigendes Qualitäts- und Problembewußtsein: für 56% ist 2011 gutes Essen Lebensqualität – 2009 waren es 53%. Die Beschäftigung mit Ernährungsfragen hat zugenommen: „Ernährung spielt für mich eine große Rolle“ sagten 2011 70% der Befragten – 2009 waren das nur 63%. Und 59% möchten dezidiert wissen, was in Lebensmitteln enthalten ist (2009 nur 57%).

Regio ist das neue Bio

Interessant: das Interesse für Bio-Produkte war im gleichen Zeitraum von 19 auf 16% gesunken. Bio war wohl in der Vergangenheit zu ideologisch aufgeladen. Auch das Thema „Nachhaltigkeit“ – seinerzeit mit vielen Vorschuss-Lorbeeren und hohen Erwartungen versehen –  konnte sich nicht durchsetzen – für die Verbraucher zu kompliziert.

Geblieben sind die „ohne“ und „frei“ Labels – sie sind einfach und direkt verständlich. Geblieben und stärker geworden ist die Regionalität. Auch sie ist Folge des Bedürfnisses nach mehr Sicherheit, Überschaubarkeit und Transparenz. Regional ist mittlerweile für Verbraucher  wichtiger als Bio – so das Wirtschaftmagazin „Der Handel“.

Immer mehr „ohne“ Käufer

Die Palette der „ohne“ Käufer fächert sich immer weiter auf:  „Ohne Muh und Mähs“ überschrieb das  Slow Food Magazin (4-2013) einen Artikel über vegane Küche – das gesamte Heft ist dem Thema „Vegetarisch leben“ gewidmet. Auf 700.000 Menschen wird die Veganer-Gemeinde in Deutschland geschätzt – vegetarisch ernähren sich acht bis neun Prozent der Bevölkerung, wird in der Wirtschaftswoche (31/2013) der Geschäftsführer des Vegetarierbundes Vebu zitiert. Auch die Wirtschaftwoche widmet der alternativen Ernährung drei Seiten – und sieht sie vor allem auf der besser verdienenden Seite der Gesellschaft angesiedelt. Der Beitrag ist auch online nachzulesen.

„ohne“ auch beim Wein

Kein Wunder, wenn im Handel von Kunden verstärkt nach Weinen „ohne“ gefragt wird. Insbesondere seit die Sulfite auf dem Etikett angegeben werden müssen. Schwefel im Wein bedeutet für viele nach wie vor Unverträglichkeit und Kopfschmerzen – das läßt sich am Regal aber auch in Diskussionen in sozialen Medien nachverfolgen.

Seitdem das Thema Allergenkennzeichnung für Wein im letzten Jahr durch die Presse ging, möchten mehr Weinkunden wissen, was im Wein drin ist. Gerade die Medien spielen bei dem neuen Bewußtsein eine große Rolle – dabei sind es nicht nur die Berichte über Skandale, das Thema Ernährung ist ein Dauerbrenner in den Medien geworden. Entsprechend wacher und aufgeklärter sind die Verbraucher.

Seminarteilnehmer sowohl aus dem Fachhandel als auch aus dem LEH berichten von Kunden, die nach vegetarischen oder veganen Weinen fragen. Das sind natürlich nur Einzelfälle – sie machen aber deutlich, dass auch für Wein die Trends bis hinein in ihre Verästelungen gelten.

2 Kommentare

  1. Die beschriebenen Trends zu mehr Gesundheitsbewußtsein und Weinen „ohne“ kann ich aus eigener Erfahrung bestätigen. Wir hatten in den letzten Wochen mehrere Kunden, die in dieser Richtung nachfragten. Da ist es natürlich von Vorteil, wenn man die Schwefelgehalte seiner Weine kennt. Den Wein auf dem Foto konnten wir übrigens auch mit Erfolg anbieten und verkaufen.

    Fragen nach vegetarischen Weinen hatten wir bislang noch nicht. Kann hier jemand schon über Erfahrungen berichten?

  2. Ja, das ist wieder so ein klassisches Thema. Die Nachfrage nach „reinen“ und „ursprünglichen“ Produkten nimmt auch bei Wein immer weiter zu. Aber wie in allen anderen Bereichen gilt auch hier, das „ohne/ehrlich/bio“ nicht automatisch auch über die Produktqualität aussagt. Hier können (und werden) konventionell erzeugte Weinen in vielen Bereichen die Nase vorn behalten. Bin aber sehr gespannt, wie sich der Markt für solche Weine in den nächsten Jahren entwickelt und in wie weit sich etablierte Hersteller hier anpassen werden.