Dieter Stoll Inhaber und Geschäftsfüher VINEXUS

Was bringt das Internet für den Weinfachhandel – weitere Ergebnisse vom Weinhandels Workshop in Heilbronn

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Einen echten e-commerce aufzubauen, dürfte die meisten Fachhändler überfordern – wer heute an den Start geht, muss perfekt und auf der Höhe der Zeit sein. Viele e-commerce Unternehmen, die mit Wein handeln, haben einen „großen Bruder“ an ihrer Seite: „Wine in Black“ ist mit A-Ventures und damit mit der Otto Gruppe verbandelt, „52 Weine“ profitiert von den Investitionen des Burda Konzerns.

Dieter Stoll Inhaber und Geschäftsfüher VINEXUS

Dieter Stoll VINEXUS foto:mpleitgen

E-commerce funktioniert nach eigenen Gesetzen, man braucht viel IT-know-how, Startkapital, einen langen Atem und muss bereit sein, ständig dazuzulernen und zu investieren.

Was ist wichtiger – IT oder Weinkompetenz?

Was ist am Anfang wichtiger – das IT- und Online-Sales Know-how oder die Weinkompetenz? Dieter Stoll von VINEXUS wollte sich bei seinem Vortrag beim Weinhandelsworkshop in Heilbronn nicht festlegen. Wichtig sei am Ende beides, für den Start sei aber wohl die IT-Seite wichtiger – siehe oben. Heute müsse eben technisch und auch verkaufstechnisch alles 100% perfekt sein. Das „Aus“ sei immer nur einen Klick entfernt.

Stoll hatte vor einigen Monaten bereits zum gleichen Thema ausführlich mit Weinbetriebswirtschafts-Studenten in Heilbronn diskutiert.

Internet = Preis?

Für viele Fachhändler reduziert sich Internet auf den Preis – aus diesem Kanal kommen die hohen Rabatte und die zum Teil nicht nachvollziehbaren Preise. Muss das so sein – liegt das etwa in der Struktur dieses Kanals begründet? Ganz im Gegenteil – sagt Stoll. Die Preisstrategie – immer den niedrigsten Preis – sei verlockend, weil sich unmittelbar etwas bewege und Umsätze generiert würden. Auch VINEXUS habe so angefangen, bis man gemerkt habe, dass unterm Strich nichts übrigbleibt.

Wer sich im „short head“ der bekannten Marken und Artikel bewege, stehe immer im Feuer der extremen Preise. Dabei biete sich gerade das Internet für eine „long tail“-Strategie an. Ausgefallene Weine für eine Zielgruppe, die danach sucht – Google mache es möglich, dass die beiden zusammenkommen. Bei VINEXUS habe man auf diese Weise gute Erfolge mit Weinen aus Südafrika oder Argentinien, die im Gesamtmarkt keine so bedeutende Rolle spielen. Eine solche Strategie könne und müsse nicht über den Preis funktionieren.

(siehe auch short head vs long tail von Chris Anderson / Wikibeschreibung)

Was ist online?

Stoll zeigte dann etliche Modell für Wein-Online-Präsenzen – der Markt ist dabei, ganz schön unübersichtlich zu werden: da sind die preisgetriebenen Konzepte, Club Modelle, Kombinationen von on- und off-line, Shops mit zusätzlichem Katalog- oder Telefon-Marketing oder solche, die mit Wein eigentlich nichts zu haben, aber Marketing, Logistik oder IT für Wein übernehmen – wie Miet- oder Kaufshops von Wein-Plus oder anderen.

Wer ist denn jetzt eigentlich ein echter Online-Wein-Anbieter? Nur die pure-player wie VINEXUS oder auch Multi-Channel Anbieter wie Hawesko, Rindchen oder andere? Was auf den ersten Blick wie eine akademische Frage aussieht, hat für die Praxis große Auswirkungen: wie viel Wein wird denn nun online abgesetzt? Stimmt die These von der Verlagerung immer größerer Teile des Weingeschäftes ins Netz oder betrifft es nur Segmente wie Premium- und Marken-Weine oder ausgefallene Herkünfte? Wie funktioniert der Kanal denn wirklich? Für denjenigen der sich in diesem Markt bewegt oder hier investieren will, sind diese Fragen von Bedeutung. Von welchen Beispielen kann man lernen und wo geht die Reise hin?

Erfolgsfaktoren Convenience und Verfügbarkeit

Habe man sich für das long-tail Geschäft entscheiden, sei am Ende Convenience und Verfügbarkeit wichtiger als der Preis. Niedrigpreiskäufer und Schnäppchenjäger seien extrem untreu.

Man müsse damit leben, dass 60% der Käufer permament wechseln, bei den übrigen 40% gelte es Vertrauen aufzubauen. Dazu gehören ein faires Pricing, keine Sprünge, maßvolle Rabattierung, ein durchdachtes Retention-Marketing und natürlich eine funktionierende Technik. Kundenbindung sei auch im Online-Geschäft die hohe Schule und vielleicht noch schwieriger zu erreichen als offline. Manch einer versucht es deshalb mit Katalogen, Veranstaltungen oder eigenen Geschäften.

Wie geht es weiter?

Stoll geht davon aus, das der Hauskonsum sich weiter verstärkt, damit Versandhandel und e-commerce wachsen. Kundenbeziehungsmanagement werde auch online immer wichtiger, will man profitabel sein. In der stationären Welt machen es die Systemer wie Jacques’, Vino, Rindchen oder Mövenpick vor – Kundenkarten, Mailings und Email-Marketing wirken. Social components werden sich zu Mitmach-Plattformen im Internet entwickeln, m-commerce wird mit den Geräten der neuen Generation Fahrt aufnehmen.

Obwohl er selbst dazugehört, sieht Stoll die reinen Online-Händler langfristig auf dem sterbenden Ast – Gewinner werden Unternehmen sein, die Online und Offline optimal miteinander verzahnen.

Händler versuchen sich an Online-Konzepten

Stolls Vortrag wurde bei der Tagung mit großem Interesse aufgenommen. In der Diskussion und den späteren Arbeitsgruppen stellte sich heraus, dass viele Händler, aber auch Importeure bereits Erfahrungen im Internet gesammelt haben – in den seltensten Fällen  aber mit der Kensequenz wie VINEXUS oder Meevio von Rindchen. Man war sich einig, dass e-commerce mit Wein ein immenses Spezialwissen und eine ausgefeilte Technik benötigt.

Die teilweise extremen Preise einiger Internet-Anbieter waren auch Gegenstand der Diskussion – sie sind nicht nur für die Händler ein Ärgernis, sondern auch ein Problem für Importeure und Großhandel. So wie man zwischen Fachhandel und Lebensmittelhandel unterscheide, mache man jetzt auch einen Unterschied in Offline- und Online-Händler. In manchen Fällen behalte man sich vor, die Billigheimer einfach nicht mehr zu beliefern – hiess es von Großhändlerseite.

Rindchen Geschäftsführer und Mitinhaber Christoph Dippe zeigte in seinem Beitrag, wie die Vernetzung von On- und Offline am Beispiel Rindchens Weinkontor funktioniert und vor welche Fragen man in der Praxis gestellt wird. Lesen Sie hier demnächst weiter.

Wie sehen die aktuellen Rahmenbedingungen für den Weinhandel aus – lesen Sie hier, was Prof. Dr. Ruth Fleuchaus beim Weinhandels Workshop sagte.