Wein – es kommt auf die Perspektive an

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Weinberge im Winter

Weinberge im Winter foto:Martin Cathrae

Die gelbe Gefahr, Korken und Cork sind immer einen Kommentar wert. Das sieht man, wenn man sich einmal die Themen auf verschiedenen Blogs anschaut und auf die Anzahl der Kommentare achtet. Gerne kommentiert wird auch alles was Wein-Bewertungen, Wein-Führer, Wein-Presse oder Discount-Weine angeht. Hier spiegelt sich der Blick der Weinfreunde auf das Produkt.

Andere Themen, die für den Wein von fast exsistenzieller Wichtigkeit sind, finden viel weniger oder gar keine Kommentatoren. Vielleicht sind Weinmarktpolitik, neue Bezeichnungen oder Anbaurichtlinien einfach zu weit weg vom Verbraucher oder zu abstrakt? Was die Winzer beschäftigt, kann man bei den Bereichsversammlungen der Weinbauverbände hören, die landauf, landab traditionell in den ersten Wochen des neuen Jahres stattfinden . Am Kaiserstuhl ist das in diesen Tagen zum Beispiel die Weinmarktreform – mit ihren strukturellen, wein- und weinbezeichnungsrechtlichen Auswirkungen, das Jahr 2010 aus der Sicht der Weinbauberatung, die Schadvogelabwehr oder die Böschungspflege. Themen, zu denen in den gut besuchten Mehrzweckhallen ab und an heftig gestritten und mit denen auch Politk gemacht wird.

Der Blick des Winzers auf sein Produkt unterscheidet sich doch deutlich von der Sicht des Konsumenten. Der Winzer denkt an den Ursprung und der Verbraucher an das Ende – der eine denkt ans Geldverdienen der andere ans Geldausgeben – das macht die Verständigung so schwierig. Manchmal versteht der eine den anderen nicht.

In dieser Runde der Versammlungen steht die längst verabschiedete  Weinmarktreform auf der Tagesordnung. Die Politik hat das Thema auf Steillage versus neue Flächen zugespitzt (siehe dazu den Beitrag bei Dirk Würtz). Dabei geht es um etwas völlig anderes: nämlich um nichts weniger, wie denn in den nächsten Jahren und Jahrzehnten unser Weinrecht, unsere Qualitäten und unsere Bezeichnungen aussehen sollen.

Die Umsetzung der Weinmarktreform (die Weinblogger sprachen 2009 mit dem zuständigen EU-Direktor darüber, hier wichtige Details) hätte in Deutschland die Diskussion um ein neue Bezeichnungen, Klassifizierungen und neue Weine eröffnen können. Stattdessen soll alles beim Alten bleiben – das bisherige Recht, die bisherigen Bezeichnungen eins zu eins ins neue Recht überführt werden. Warum ist es an dieser Front so merkwürdig ruhig?

Bei der Diskussion wird häufig übersehen, dass wichtige ökonomische Aspekte eine Rolle spielen. Viele Winzer-Betriebe gehören ja faktisch den Banken. Das trifft auch auf die Rebflächen und zugehörige Pflanzrechte zu. Bangemachen ist von daher einfach: viele Winzer fürchten um die Sicherheiten für ihre Kredite, sollte es infolge der Liberalisierung einen Preisverfall für Weinbau-Terrain geben. Auch Politik und Verbände haben Befürchtungen, dass den bisherigen wirtschaftlichen Strukturen sprichwörtlich der Boden entzogen wird. Zudem darf es keine direkte Subvention der Produktion mehr geben. Das rührt an Besitzstände.

Auch möchte  man aus Sicht der Verbände die Lagen- und Klassifizierungs-Diskussion nicht wieder haben: Alle denken noch mit Grauen an die Flurbereinigungen und die Lagen-Festschreibung in den 70er und 80er Jahren – mühsam gezimmerte Kompromisse sind in Gefahr. Im Gesamt-Europäischen Rahmen ist das natürlich kurzsichtig – die Kollegen in den anderen Ländern werden nicht auf die Deutschen warten. Gleichzeitig wird die Chance für einen Neuanfang vertan!

Diese Thema wäre auch aus der Sicht der Verbraucher den ein oder anderen Kommentar wert.

2 Kommentare

  1. Bei mir ist es eher so, dass ich immer dann überdurchschnittlich viele Kommentare habe (und Leser, die sonst nicht zu den Stammlesern von ENO WorldWine gehören), wenn ich etwas über Blogs, Weinjournalisten oder andere Weinmedien schreibe.

    Allerdings gehen auch bei mir anscheinend immer wieder wichtige Themen unter – jedenfalls, wenn man es nur an der Zahl der Kommentare misst, die Zahl der Lesezugriffe suggeriert dann aber doch ein etwas anderes Bild, denn da rangieren einige der nach meinem Gefühl wichtigen Themen unter den meist gelesenen: Herkunft, Sorte oder Marke? – Fachhandel versaut die Preise – Das Weinamt und sein Terroir – Gaja: Die Krise und Italien – Wasser im Wein etc. etc.

    • Lieber Eckhard Supp,
      dass sowenig kommentiert wird, liegt vielleicht wirklich daran, dass diese Themen zu komplex sind oder einfach die Information fehlt?! Wo soll sie beim Thema Weinrechtsreform auch herkommen, wenn alles von der Qualität unserer Freunde bei den Magazinen oder in der Politik ist ;-)