Wein macht nicht sexy, zumindest nicht in der Werbung. So sehen es die Europäischen Kommunikations-Standards der Weinwirtschaft vor, die Rolf Nickenig für den Deutschen Weinbauverband zusammen mit Monika Reule vom DWI bei der Intervitis in Stuttgart vorstellte. Im Rahmen einer freiwilligen Selbstverpflichtung wird es keine Wein-Werbung mehr geben, die in irgendeiner Form zu mißbräuchlichem Genuß auffordert. Das 11 Punkte Programm sieht unter anderem so Selbstverständliches vor wie: kein Wein für Kinder und Jugendliche, im Straßenverkehr, am Arbeitsplatz oder während der Schwangerschaft. Aber Wein auch nicht im Zusammenhang mit sozialem, psychischem oder sexuellem Erfolg dargestellt werden. Neu: über die Einhaltung wacht jetzt der Deutsche Werberat der ZAW, wo auch eine für jederman erreichbare Beschwerdestelle eingerichtet wurde.
Nickenig möchte die Standards jetzt bei Winzern und Handel bekannt machen. Federführend bei der Aufklärung soll die Deutsche Weinakademie sein, die die europaweite Kampagne „Wine in Moderation„ in Deutschland umsetzt. Ihm sei klar, sagte er bei dem Pressegespräch am Freitag, daß es in der Weinwirtschaft noch Diskussionsbedarf gebe. Allerdings hätten immer mehr Verantwortliche in den Firmen mittlerweile die Notwendigkeit präventiven Handelns erkannt. Angela Merkel habe beim Intervitis/Interfructa Kongress die „Wine in Moderation“ Initiative ausdrücklich lobend erwähnt. Die Regierung setze auf eigenverantwortliches Handeln der Weinwirtschaft.
Auf die Frage, wie er die Auswirkungen des bei der WHO Gesundheits-Minister-Konferenz im Mai vorliegenden Papieres einschätze, daß von den Mitgliedsstaaten drastische Maßnahmen zur Alkoholprävention verlange, sagte Nikenig, es gebe dort genauso wie auf europäischer Ebene einen „nationalen Vorbehalt“ bei der Umsetzung. Die WHO wird empfehlen, Alkohol nur noch wie in den USA in staatlich kontrollierten Läden abzugeben, Verkaufszeiten einzuschränken, hohe Steuern einzuführen und die Werbung zu verbieten. Dies sei in Deutschland nicht notwendig. Auch weitere nächtliche Alkoholverbote wie in Baden-Württemberg werde es in absehbarer Zeit nicht geben.
Auf den Hinweis, in Großbritannien gebe es mit der Portman Group bereits langem freiwillige Selbstbeschränkungen der Wein- und Sprituosenbranche inklusive Beschwerdestelle und Aufklärungsinstitution. Dies habe die Regierung nicht gehindert, jetzt die Steuern empfindlich anzuheben, entgegnete Nickenig: im Prinzip seien sich alle Beteiligten, die Branche, Parteien, Regierung und Behörden einig, daß etwas passieren müsse. Über den richtigen Weg werde es aber auch in Zukunft immer wieder unterschiedliche Meinungen geben. Deshalb käme es auf eine Geschlossenheit der Weinwirtschaft und eine starke Unterstüzung der „Wine in Moderation“ Kampagne an. Ein Winzer oder auch ein Händler könne sehr wohl der Kampagne beitreten und das Logo auf seine Webseite nehmen oder in seinem Prospekt abdrucken. Das sei für den Verkauf nicht hinderlich, sondern zeige dem Kunden, daß hier verantwortungsvoll gehandelt werde.
Die Weinakademie Berlin unterstützt „Wine in Moderation“ seit dem Start in 2008. In allen Kursen und bei allen Veranstaltungen wird das Thema angesprochen.
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29. März 2010 um 16:44
In Frankreich sind diese hier freiwillig gennanten Bestrebungen ja seit dem 1991 geltenden Gesetz „Loi EVIN“ schon verpflichtend, über Wein darf nur in sehr engem Rahmen berichtet werden (§ 18):
„Die Werbung für alkoholische Getränke ist beschränkt auf die Angabe des Alkoholgehalts (Vol), der Herkunft, der Bezeichnung, der Komposition des Produkts und der Adresse des Fabrikanten, des Agenten oder Händlers sowie auf die Art der Herstellung, die Verkaufsbestimmungen und die Konsumhinweise des Produkts.
Diese Werbung kann auch Hinweise auf die Anbaugebiete (hier fällt das schwammige Wort Terroir) und die erhaltenen Auszeichnungen enthalten.“
Die gegenwärtige Diskussion über die Erlaubnis, einen kostenpflichtigen TV-Sender, der auch die Verkostung von Wein in Videos zeigen will, in Frankreich nicht zu erteilen – was die Planer zu einer Verlegung des Austrahlungsortes nach England oder Luxemburg zwingen würde, ist nur die logische Folge dieser Entwicklung.
Ich hatte darüber u.a. ausführlich hier:
http://weingut-lisson.over-blog.com/article-21134208.html
berichtet – auch die Kommunikation via Internet, die ja gerade auch für kleinere Winzer oft die einzige ist, war lange Jahre in Frage gestellt und wurde erst im Juni 2009 im engen Rahmen des alten Gesetzes erlaubt.
Ich wende mich wohlgemerkt nicht gegen eine Moderation in der Weinwerbung und den Jugendschutz, aber wir sehen in Frankreich deutlich, zu welchen Karrikaturen ein solches Gesetz führt, wenn Kultur und Genuss nur noch in medizinischen Termini (1 bis 2 Dosierungen pro Tag und kg Körpergewicht…) abgehandelt werden.
Dabei hat die anti-Alkohol-Lobby deutlich mehr mediales Gewicht, als eine gegen Pestizidrückstände im Wein…
29. März 2010 um 17:10
Liebe Iris,
das wundert ja alle, daß die Franzosen so rigide sind. Sie gelten doch sonst als so locker, laissez-faire orientiert. Was die meisten nicht wissen: Frankreich hat die höchste Beamten-Quote in der EU. Höher als Deutschland! Bürokratie schafft sich ihr Umfeld: Über-Regulierung! Das Beispiel des loi Evin zeigt, wenn einmal so etwas da ist, ist es nicht mehr weg zu bekommen. Wir haben in Deutschland das Angebot der Regierung zur Zusammenarbeit und das sollten wir nutzen! Deshalb finde ich diese Selbstverpflichtung besser, als garnichts oder etwas, das von oben kommt wie das Nachtverkaufsverbot in BaWü.