Weintrends für Dummies – wo geht die Reise hin?

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Mary Ewing-Mulligan MW - Autorin von Wine for Dummies foto:mpleitgen

Mary Ewing-Mulligan MW - Autorin von Wine for Dummies foto:mpleitgen

„Es hat 40 Jahre und 4 Monate gedauert, das Buch zu schreiben. 40 Jahre, um zu verstehen, wie Wein funktioniert und 4 Monate um das alles aufzuschreiben“ sagt Mary Ewing-Mulligan als ich sie letzte Woche im New Yorker International Wine Center in der Nähe des Madison Square Garden treffe.

Ich wollte mit ihr über die aktuellen Wein-Trends in Amerika sprechen – aber natürlich kommt man irgendwann auf das Buch, das sie mit ihrem Mann Ed McCarthy geschrieben hat. Es ist bereits über eine Million Mal verkauft worden und in 36 Sprachen übersetzt. Damit ist es eines der erfolgreichsten Weinbücher überhaupt. Die erste Übersetzung von „Wine for Dummies“ war übrigens ins Französische, bemerkt Mary – das sei ihr so erschienen, wie Eulen nach Athen zu tragen – zu ihrer Überraschung fand es dann in Frankreich einen hohen Absatz. Für China gibt es gleich zwei Ausgaben: eine in Mandarin und eine in Hakka. „Das Buch hat viele andere Weinbücher erst möglich gemacht – weil es sich so gut verkauft hat und Verlage auf das Thema Wein aufmerksam machte.“

In der US-Weinszene ist Mary sehr bekannt: sie war die erste Frau in den USA, die den Master of Wine erfolgreich bestand und ihre Schule in New York gibt es bereits seit 1982. Sie gehörte zu den ersten, die in den 90er Jahren die WSET Programme in die Staaten brachte. Heute ist das International Wine Center die renommierteste Weinschule in den USA.

Wie ist das nun mit den Trends?

In der New Yorker Gastro-Szene machen zur Zeit die Jungs vom Gotham Project von sich reden. Sie offerieren der Gastronomie Weine zum Zapfen in Bier-Kegs. Was bei uns in Weinbauregionen bereits ein alter Hut ist, wird jetzt von einigen Weingütern offensiv als Neuheit vermarktet. Zahlreiche Restaurants sind darauf eingestiegen, unter anderen die Grand Central Oyster Bar, Choptank oder das Blue Ribbon Brooklyn.  Die Gründe, die Gastronomen und Kunden an den Zapfhahn bringen: die Weine sollen frischer sein, authentischer und Verpackung und Transport ökologischer.

Das Ökologische wird in den USA gerne etwas weiter gefaßt: es ersteckt sich von Wellness über Health Food bis hin zur Biodynamie. Dieses Spektrum bildet im Food-Bereich Whole Foods ab – „gesunde“ Supermärkte, in denen es allerdings in New York keinen Wein gibt. Biodynamie ist bei Insidern wie zum Besipiel Sommeliers ziemlich angesagt.

Wir hatten bei Gesprächen mit Winzern auf Long Island schon festgestellt, daß Bio ein heisses Thema ist: konventionelle Winzer erklärten uns länglich, warum sie kein Bio machen – obwohl wir garnicht gefragt hatten. Mary meinte dazu, viele Winzer fühlten sich durch Journalisten und zunehmend Verbraucher verunsichert, die immer öfter nach Öko und Bio fragen. Man meine dann, sich vorbeugend verteidigen zu müssen.

Weit größere Faszination als Öko- oder Bioweine im engeren Sinne üben zur Zeit die „natural wines“ aus. Dafür gibt es keine allgemeingültige Definition. Für die einen geht es dabei im Prinzip um ein minimal interventives Konzept bei der Weinzubereitung – für andere zählen nur biodynamischeWeine. Entsprechend heftig sind die Debatten unter den Natural Wines-Anhängern, was und wer denn nun wirklich und wahrhaftig „natural“ ist. Eine der Protagonistinnen der Bewegung ist die Journalistin Alice Feiring. Einige Händler und Restaurants in New York engagieren sich für die Bewegung. Dazu gehören die Chambers Street Wines oder die Weinbar Ten Bells, die sich selbst als „New York’s natural wine bar“ bezeichnet und auf deren Weinkarte die Weine von Dirk Würtz zu finden sind. Wieder ein neuer Journalisten-Hype für das „dowtown crowd“, für die Leute, immer wieder etwas Neues brauchen?

Neue Produkte auf dem Vormarsch? In den Krisenzeiten gab es ein großes Revival der „branded wines“, der Markenweine, von denen jedes Jahr Dutzende auf den Markt kommen. Der Vorteil: hier können die großen Produzenten hineinfüllen was sie wollen. Originelle Namen und Aufmachungen werden zielgruppengerichtet eingesetzt: Marken wie „Cupcake Wine“ oder „Underdog Wine“ richten sich eher an junge Konsumenten, mit „Little black dress“ sollen Frauen erreicht werden.

Daneben kommen immer mehr Bag-in-Box auf den Markt. „Boxed wine“ hat allerdings in den USA immer noch ein Billigimage, da lange Zeit nur Einfachstweine über diese Schiene vermarktet wurden.

Neben den traditionellen Vermarktungskanälen wie Wineshops, Restaurants und Versendern entstehen auch immer mehr Wineclubs – Kooperationen zwischen Zeitungen, Zeitschriften und Weinhändlern. Vorbild ist Hugh Johnsons Sunday Times Wineclub. Führend ist der US-Ableger der Laithwaite Gruppe aus Großbritannien, die dieses Geschäft ausgezeichnet versteht und in Deutschland auch den Welt am Sonntag Weinclub und das Hamburger Abendblatt mit Wein und Ideen versorgt.

Wie sieht Mary ihre Rolle als Wine Educator – jährlich besuchen über 1.000 junge Leute ihre Schule in New York und zigtausende lesen ihre Bücher? „Es ist unsere Aufgabe, die Vielfalt der Weinwelt zu zeigen, die Leute neugierig zu machen. Sie sollen verstehen, daß es um Genuß geht und daß um so mehr für sie drin ist, je mehr sie sich damit beschäftigen. Damit geht es automatisch in Richtung Qualität!“

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3 Kommentare

  1. Schöne Artikelserie, die gut das alte Sprichwort, von einem, er eine Reise tut, illustriert:-)!

    Ich hatte den Namen der Autorin vergessen, aber ihr Buch „Le Vin pour les Nuls“ habe ich schon vor ein paar Jahren erfolgreich an Weineinsteiger verschenkt und vorher auch noch schnell mit Vergnügen gelesen.

    Für mich als Buch eine gute Alternative zu Superschoppen Shoppern, für den selbstdenkenden und schmeckenden Einsteiger, das mit seinen Ratschlägen die Schwellenangst vor Spezialistenkauderwelsch nimmt, zum eigenen Urteil anregt und eben auch und gerade im Fachgeschäft oder im Restaurant von Nutzen sein kann und nicht nur im Supermarkt.

    Und gar nicht so abwegig, dass es das in Frankreich schon lang gibt, auch wenn natürlich die „Weinkenner“ an allen möglichen Details und auch mal Irrtümern beim Umgang mit den in der hiesigen Ausgabe knapp ergänzten frnzösischen Appellationen Anstoß nehmen und es deshalb als wirklich „null“ ablehnen – ist eben alles eine Frage der Perspektive;-).

    Auch was die „natural wine“ Welle angeht, auf die ich ja schon in einem vorherigen Kommentar hingewiesen hatte, so sehe ich mehr Ähnlichkeiten zwischen Frankreich und USA, als mit Deutschland, wo eher krampfhaft in allen möglichen und unmöglichen Kontexten ach so jugendnah“gerockt“ wird, statt inhaltlich zu argumentieren. Die „vin naturel“ Bewegung (ich hab bestimmt schon mal irgend was mit Links auf meinem Blog darüber geschrieben, wen’s interessiert: selber suchen, GIYF;-) ist also, dank Alice Feiring und einiger überzeugter Importeure, wie Joe Dresser, inzwischen auch fest in NY etabliert – und damit auch die spezialisierten Weinbars, wo sich, statt der „bobos Parisiens“ die von Dir genannte downtown crowd trifft.

    Neben der marketingmäßig stark aufgenommenen Mode hat diese Richtung bei Winzern aber auh einen durchaus ernstzunehmenden Hintergrund, der durch die immer noch fehlenden Richtlinien für eine bio-zertifizierte Weinbereitung im EU Berech ausgelöst wird und durch die verwässerten Grenzwerte für Zusatzstoffe und erlaubte Behandlungsmethoden, die auf Druck der Lobby der auf den Markt drängenden Großproduzenten für die Massenmärkte (GD) ins Auge gefasst werden.

    Natürlich kann das auch zu einem Sammelbecken von „n’importe quoi“ werden, Winzer, die Weinfehler bei ihren Flasche auf Unterbrechungen in der Kühlkette beim Transport ihrer Weine (14°C) schieben und Refermentierung auf der Flasche für normal und natürlich halten, sollten sich mal die für alle geltenden Richtlinien für einen zum Verkauf zugelassenen Wein anschauen. Da gibt es für alle geltende Richtlinien und Essig gehört eben nicht als Wein in die Flasche… Aber das weicht jetzt vom Thema USA ab;-)…

    Schade eigentlich, dass das, neben ihrem Blog und ihren Zeitungskolumnen für die natural wines so wichtige Buch von Alice Feiring nie ins Deutsche übersetzt wurde – auch wenn sie ihre Initialzündung mit französischen und italienischen Weinen hatte, ist das eigentlich kein hinreichender Grund:-).

    Und letzter Punkt, der mich interessiert: gibt es eigentlich in Deutscjland eine für Wein- und Weintrends vergleichbare Hauptstadt, wie Paris oder New York, die jemand bereisen könnte? Irgendwie hat sich da bei der Lektüre der deutschen Weinveröffentlichungen im Web für mich noch nichts so richtig überzeugend herauskristallisiert;-)?

    • @Iris Die Deutschen haben eben alles gerne mit Brief und Siegel – da braucht es dann für Natur auch ein TÜV Zertifikat.

      Eine Weinhauptstadt gibts bei uns nicht – in der Hauptstadt selbst gibt es zwar über 360 Weinläden, aber wirklich interessant im Sinne von neuen Konzepten sind vielleicht eine Handvoll.

      Die Szene ist in Hamburg, Köln oder München recht unterschiedlich: Hamburg ist eher an Frankreich orientiert, die Münchener schauen gerne über den Berg nach Süden, in Düsseldorf dürfen es schicke Namen sein, … föderale Vielfalt eben.

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